Der Grenzgänger
fragte ich ihn zweifelnd.
„Anscheinend.“ Böhnke schüttelte den Kopf. „Wie wir wissen, hat Fleischmann weder eine Erbschaft gemacht noch kommt er aus reichen Verhältnissen. Er hat sich seine Lebensqualität hart erarbeitet, wenn ich es einmal so ausdrücken darf. Ich frage mich nur, welchen Sinn es machen soll, dass er zwei Leben führte. Das wird wohl sein Geheimnis bleiben, denke ich mal.“ Er sah mich staunend an. „Was haben Sie eigentlich gemeint, als Sie von der guten Nachricht sprachen, dass die Fingerabdrücke der Lektorin nicht auf dem Briefumschlag sind?“ Ich verkniff mir nur schwerlich ein Schmunzeln. „Das verrate ich Ihnen ein anderes Mal. Spätestens, wenn Sie mir einen Gefallen getan haben.“
„Und der wäre?“ Böhnke zeigte sich kooperativ. „Ich möchte gerne einmal an van Dykes Computer spielen“, antwortete ich und schob eine Frage nach: „Ist das machbar?“
Das müsse machbar sein, entgegnete der Kommissar zuversichtlich. Er werde Bloemen von der Notwendigkeit überzeugen, dass ich mich intensiv in der Wohnung des Schreiberlings umschauen müsste.
In der Soers steuerte der Kommissar das Polizeipräsidium an. „Noch einen kurzen Blick ins Büro“, entschuldigte er sich, „dann bringe ich Sie nach Hause.“
Bereitwillig trottete ich hinter Böhnke her vom Parkplatz durch das moderne Gebäude. Die wenigen Beamten grüßten mich entweder respektvoll oder nahmen mich gar nicht zur Kenntnis. In Böhnkes Zimmer ließ ich mich erschöpft in einen Sessel in der Besucherecke fallen, während der Kommissar den Papierstapel auf seinem Schreibtisch sichtete.
„Das hat uns ausgerechnet noch zu unserem Glück gefehlt“, stöhnte er und kam kopfschüttelnd mit einem Fax in der Hand auf mich zu. „Lesen Sie!“
Die Information war von der Autobahnpolizei Mönchengladbach. Die Behörde teilte in einem Nachtrag mit, dass der Verkehrsunfall auf der A 61, bei dem der 44-jährige Mann getötet worden war, wahrscheinlich durch einen geplatzten Reifen verursacht worden war. Im defekten Reifen fehlte ein fünfmark-großes Stück Profil.
Ernst Langerbeins
Lange schauten der Kommissar und ich uns schweigend an, ehe ich das Wort ergriff. „Denken Sie etwa das, was ich auch denke?“, fragte ich vorsichtig, nachdem ich mich gesammelt hatte.
Böhnke wandte sich von mir ab und ging zum Fenster. „Was denken Sie denn?“, fragte er zurück, während er hinaus ins Freie schaute.
„Ich denke, dass der tödlich verunglückte Kriminalbeamte eine noch nicht näher definierte Rolle beim Ableben von Renatus Fleischmann alias Piet van Dyke gespielt hat.“ Ich könne mir nicht zwei Fahrzeuge vorstellen, bei denen der gleiche Fehler im Reifenprofil vorhanden war. „Ich unterstelle einfach, dass der Mann mit seinem Wagen am Lahey-Park war, als Fleischmanns Leiche dort abgelegt wurde, und ich unterstelle weiterhin, dass der Mann mit seinem Wagen dabei war, als Gerstenkorns Fahrzeug in der ehemaligen Baumschule entsorgt wurde.“
Böhnke nickte zustimmend. Er hatte sich umgedreht und beobachtete mich aufmerksam. „Fahren Sie fort“, forderte er mich freundlich auf. Er setzte sich auf die Kante seines Schreibtischs und griff nach einem Stift und einem Block. „Wenn ich unterstelle, dass der Polizist im Lahey-Park und in der ehemaligen Baumschule war, und ich außerdem weiß, dass es sich bei dem vermeintlichen Unfallopfer um einen Kriminalbeamten handelt, der aus Erkelenz stammt und nun bei der Staatsanwaltschaft Mönchengladbach arbeitet, komme ich zu der Vermutung, es könne sich bei diesem Menschen um den Maulwurf handeln, den Sie suchen, Herr Böhnke.“ Ich war mir ziemlich sicher, auch wenn ich noch meine letzten, leichten Bedenken hatte. Das ging mir jetzt zu glatt. „Vielleicht war der Kerl der Drahtzieher und die Hauptperson, vielleicht spielte er nur eine Nebenrolle“, versuchte ich meine Behauptungen zu relativieren. „Sie können es drehen und wenden, wie Sie wollen, Herr Grundler“, unterbrach mich Böhnke unzufrieden. „Es hat auch für mich den Anschein, dass dieser Mensch maßgeblich am Geschehen beteiligt war.“
Der Kommissar machte sich einige Notizen, dann griff er zum Telefon. Wie ich mitbekam, sprach er mit einem Kollegen namens Jansen, also mit der Polizeistation in Erkelenz. Ohne näher auf den Anlass seines Telefonats einzugehen, stellte Böhnke nach einigen einleitenden Floskeln die Frage nach dem verstorbenen Kriminalbeamten.
Jansen
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