Der Grenzgänger
verloren, vor ein paar Wochen in Aachen oder so. Ich habe den Verlust sofort gemeldet und einen neuen Ausweis beantragt. Das können Sie übrigens im Einwohnermeldeamt in Geilenkirchen nachprüfen. Und jetzt kommt es.“ Der Mann, der sich Fleischmann nannte, machte erneut eine Kunstpause. „Ich glaube, dass mir Schranz den Ausweis entwendet hat. Bei einer Feier bei ihm. Ich habe dort übernachtet.“
Ich stutzte, aber bevor ich etwas sagen konnte, gab mir Fleischmann eine Erklärung. „Schranz und ich waren früher einmal befreundet. Wir haben gemeinsam studiert und uns auch eine Studentenwohnung geteilt.“
Nun war aus der Freundschaft wohl eine Feindschaft geworden, wobei ich immer noch nicht verstand, warum ein Fremder statt Fleischmann durch den Häcksler gedreht worden war. „Das war wohl als Drohung gedacht. Schranz hat schon immer perverse Ideen gehabt, um Menschen zu schocken. Ich habe jedenfalls diesen Mord als Warnung verstanden.“
„Hm.“ Mir gefiel diese Überlegung nicht sonderlich, sie schien mir nicht glaubhaft. Was war mit Renate Leder, mit Wagner, mit Langerbeins? Was hatten die damit zu tun? Warum sollten sie dafür zahlen, dass Fleischmann mit Schranz im Streit lag? „Das passt zu Schranz. Er hatte alle Menschen in meinem Umfeld geschädigt, um mich zu isolieren und mir zu zeigen, wozu er fähig ist. Jetzt bin ich an der Reihe. Oder haben Sie etwa geglaubt, der Anschlag in meinem Haus in Ubach over Worms galt Ihnen?“ Fleischmann schnaubte. „Bestimmt nicht. Schranz und seine Helfershelfer haben wahrscheinlich angenommen, ich sei in dem Haus. Sie sind nur ein Zufallsopfer, Herr Grundler.“
Auch diese Überlegung gefiel mir nicht sonderlich. Aber was gefiel mir schon an dieser undurchsichtigen Geschichte? Woher wusste er von dem Attentat?
„Woher soll ich wissen, dass Sie tatsächlich Renatus Fleischmann sind?“, fragte ich unvermittelt. Der Kerl konnte mir erzählen, was er wollte. Für mich galt Fleischmann so lange als tot, so lange nicht das Gegenteil bewiesen war.
Ein lautes Lachen war die Antwort. „Diese Frage musste ja kommen. Aber keine Sorge, ich bin’s wirklich. Ich habe in meiner Wohnung in Aachen unter dem Boden der mittleren Schublade an der linken Seite des Schreibtischs mit Klebeband eine Diskette befestigt. Sie können sie holen. Darauf befinden sich die Konzepte für weitere Krimis, die ich noch schreiben wollte. Unter anderem über meine Lieblingsfigur, einen Bürgermeister.“
„Sie meinen Gerstenkorn.“
Für einige Momente verschlug es dem vermeintlichen Fleischmann die Sprache. „Sie sind gut“, sagte er dann anerkennend. „Wie lautet das Password für Ihre versteckten Dateien?“, fragte ich schnell.
Doch erntete ich statt einer Antwort wieder ein lautes Lachen. „Sie sind wohl doch nicht so gut“, meinte Fleischmann spitz.
Es schien mir, als sei er erleichtert. Ich sah keinen Grund, ihn eines Besseren zu belehren.
„Es kann nur in Ihrem Interesse sein, wenn Sie sich aus der Sache zurückziehen, Herr Grundler“, behauptete er. „Lassen Sie mich in Ruhe. Ich muss mir irgendwo eine neue Existenz aufbauen. Ich habe genug verbrannte Erde hinterlassen.“
Er gehe den falschen Weg, hielt ich Fleischmann entgegen. „Kommen Sie zu mir. Ich gebe Ihnen Rechtsschutz und begleite Sie zu einem befreundeten Kommissar“, schlug ich vor.
Doch lehnte Fleischmann entschieden ab. „Ich habe keine Lust, im Bau zu landen.“
Und ich hätte keine Lust, mir länger seinen Schwachsinn anzuhören, sagte ich brüsk. „Sich aus dem Staub zu machen, ist feige.“ ,Passte aber zu dem Schwein’, fügte ich für mich hinzu. Am liebsten hätte ich den Telefonhörer auf die Gabel geworfen, aber ich hielt es für angebracht, Fleischmann im Gespräch zu halten.
„Was ist mit Renate?“, fragte er nach einer Pause. Anscheinend war Fleischmann über alle Geschehnisse bestens im Bilde. Er musste aufmerksam die Zeitungen gelesen haben und wusste Bescheid.
„Der geht es gut“, behauptete ich dreist. Ich war wütend über den Angsthasen, der sich nicht traute, Verantwortung für sein Handeln zu übernehmen. „Sie ist aus dem Koma aufgewacht. Morgen kann ich mit ihr sprechen.“ Ich war gespannt, wie Fleischmann reagieren würde.
Aber er blieb still.
„Wissen Sie übrigens, dass sie schwanger ist?“, setzte ich schnell nach.
Fleischmann blieb mir eine Antwort schuldig. Er hatte aufgelegt, kaum dass ich die Frage gestellt hatte.
Ich ließ mir das Gespräch noch
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