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Der Grenzgänger

Der Grenzgänger

Titel: Der Grenzgänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Lehmkuhl
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die Augen und wollte schlafen, als das Telefon klingelte. Verärgert tastete ich nach dem Gerät neben mir auf dem Tisch.
    „Ja, bitte!“, meldete ich mich träge.
    „Spreche ich mit Herrn Grundler?“, fragte leise und vorsichtig eine mir unbekannte Stimme.
    „So ist es in der Tat“, bestätigte ich barsch. „Wer sind Sie? Was wollen Sie?“ Diese Art von Anrufen mochte ich nicht sonderlich. Das konnte schon nichts sein, wenn ein fremder Typ mich anrief und dabei noch nicht einmal wusste, ob er überhaupt mit mir sprach.
    „Ich bin Renatus Fleischmann“, antwortete der Kerl am anderen Ende der Leitung.
    „Kann nicht sein“, entgegnete ich spontan gereizt, „der ist tot.“
    Die Antwort hatte mich noch nicht einmal verblüffen können.
    „Nein, ich lebe. Ich bin Renatus Fleischmann“, sagte der Mann beharrlich.
    Jetzt war es an mir, mich ungläubig zu wiederholen: „Was wollen Sie?“
    „Ich bitte Sie eindringlich, sich nicht mehr mit mir und meiner leidigen Angelegenheit zu beschäftigen“, sagte mein Gesprächspartner entschieden. Er holte kurz Luft. „Herr Grundler, Sie schaden mir mehr, als dass Sie mir helfen, wenn Sie sich um mich kümmern.“
    Mich interessierte das Gefasel nicht sonderlich, mir war nach handfesten Fakten. „Wo sind Sie, Herr Fleischmann?“, fragte ich streng.
    „Das tut nichts zur Sache“, entgegnete er. „Ich bin untergetaucht und habe mich versteckt. Ich muss für lange Zeit von der Bildfläche verschwinden.“
    „Warum?“
    Der Unbekannte, der sich als Fleischmann ausgab, lachte verbittert in das Telefon hinein. „Sie sehen doch, warum. Man will mir ans Leder.“
    „Warum?“ Mehr blieb mir nicht zu fragen. Fleischmann oder der Mann, der sich als Fleischmann ausgab, hatte es verdient, dass ich nicht gerade freundlich mit ihm umging. „Warum wohl? Ich bin einigen Zeitgenossen zu nahe getreten mit meinen Romanen. Sie wollen sich rächen.“
    „Wer will sich rächen?“ Es kamen viele in Frage, die nicht gerade gut auf den Schriftsteller zu sprechen waren.
    Für einige Momente schwieg der vermeintliche Fleischmann.
    Ich befürchtete schon, er hätte das Telefonat beendet. Offenbar führte er es von einer Telefonzelle. Jedenfalls bekam ich ein Rauschen mit, das von einem vorbeifahrenden Lastwagen stammen konnte.
     
     
    „Ich nehme an, Schranz und sein Freund haben es auf mich abgesehen. Sie wissen, der Metzger“, sagte Fleischmann endlich.
    Diese Behauptung sei sehr dürftig, gab ich zu bedenken. Ein noch nicht veröffentlichter Roman als Motiv für einen Rachefeldzug sei nicht sehr überzeugend. „Damit stellen Sie mich nicht zufrieden.“ Ich hätte gerne mehr Informationen gehabt.
    Wieder ließ sich Fleischmann viel Zeit mit einer Entgegnung. „Sie haben bestimmt das Skript meines neuesten Roman gelesen, nehme ich jedenfalls an. Den Hintergrund der Geschichte liefert ein krimineller Handel, an dem Schranz und sein Freund maßgeblich beteiligt sind. Es ist in der Tat so, dass die beiden Rinder aus England und Irland in die Niederlande holten und dort auf einer Weide unterbrachten, ehe die Tiere in Deutschland geschlachtet wurden. Außerdem importierten sie tief gefrorenes Rindfleisch aus England nach Deutschland. Es wurde in einem Fleischverarbeitungsbetrieb von Schranz aufgetaut, mit dem Frischfleisch vermengt und als frisches Rindfleisch aus deutscher Produktion verpackt und verkauft. Damit haben die beiden sehr viel Geld verdient.“
    „Woher wissen Sie das?“ Langsam machte mich der Mann neugierig.
    Er lachte grimmig auf. „Reiner Zufall. Die Rinder wurden auf die Weide hinter meinem Haus in Ubach over Worms gebracht. Ich konnte gewissermaßen von meinem Arbeitszimmer aus den Viehtransport beobachten. Ich habe mich auf die Fährte gesetzt und dabei die Geschichte herausgefunden. Man muss nur zur richtigen Zeit mit den richtigen Methoden die richtigen Leute, sprich die Schwarzarbeiter bei Schranz, ansprechen.“
    Ich ließ diese Schilderung unkommentiert im Raum stehen. „Wer ist denn dann der Tote, der als Fleischmann identifiziert wurde?“, fragte ich stattdessen.
    „Woher soll ich das wissen?“, erhielt ich prompt zur Antwort. „Wahrscheinlich irgend so eine arme Socke, die von niemandem auf der Welt vermisst wird. Ein Illegaler, der bei Schranz gearbeitet hat.“
    „Und wie kam ausgerechnet diese arme Socke an Ihren Personalausweis?“
    „Das habe ich mich auch gefragt. Dabei ist die Antwort so simpel. Ich habe gedacht, ich hätte den Ausweis

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