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Der Grenzgänger

Der Grenzgänger

Titel: Der Grenzgänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Lehmkuhl
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seine Behauptungen untermauern konnte. Schmitz bestätigte mit seinen Schilderungen im Prinzip den Wahrheitsgehalt der Geschichten Fleischmanns. Sein Bericht hatte nur einen Fehler. Wir konnten ihn nicht verwerten, um Gerstenkorn dingfest zu machen. Da stand bestenfalls Aussage gegen Aussage. Für mich war zweifelsfrei, dass bei dieser Konstellation der gewiefte Politiker die besseren Karten hatte. Gerstenkorn würde unbestraft aus den Affären herauskommen und brauchte nicht einmal einen Prozess zu fürchten. Die Erwartung, dass er vielleicht politisch angreifbar war, würde ihn nicht weiter stören. Er hatte sein Schäfchen im Trockenen. Mit einem politischen Scherbenhaufen hatten sich allenfalls seine Parteifreunde zu befassen, derweil er sich die Sonne auf den Pelz scheinen ließ.
    „Es wird keinen Kläger geben und damit auch keinen Richter“, sagte ich sachlich zu Küpper, der betrübt nickte. „Es wird nur eins geben“, ergänzte der Bernhardiner grimmig. „Ich werde meinen Journalistenfreund Bahn auf die Geschichte ansetzen. Er kann ja bei Gerstenkorn nachfragen, was er von den Gerüchten halte, die sich nach seinem Wegzug um seine Vergangenheit ranken.“
     
     
    Beim Abschied gab ich Schmitz den gut gemeinte Ratschlag mit auf den Weg, er möge gut auf sich aufpassen. „Sonst begegnen Sie bald Ihrem ehemaligen Schwager und Fleischmann wieder. Haben Sie Langerbeins eigentlich von Gerstenkorns beabsichtigten Verkauf des Geländewagens berichtet?“
    Schmitz nickte zustimmend. Die Stimme versagte ihm. „Noch eine Frage“, schob ich schnell nach, bevor er mir in Tränen zerfloss. „Kennen Sie Frau Doktor Leder?“
    Der Feigling schüttelte verneinend den Kopf und ich glaubte ihm.
    Endlich wusste ich, woher ich Schmitz kannte. „Besitzen Sie einen roten Golf?“
    Der Schwächling nickte stumm.
    Das war’s. Schmitz und Langerbeins waren die beiden Figuren gewesen, die mich in Aachen beobachtet hatten und die auch Renates Krankenzimmer im Visier gehabt hatten. „Warum?“, fragte ich. „Das war doch niemals Ihre Idee?“
    „Nein“, flüsterte Schmitz. „Langerbeins hat es gewollt. Er hat mir gesagt, was ich zu tun habe und ich habe es getan.“
    Den Grund für Langerbeins Handeln kannte er nicht. „Er hat’s mir nicht gesagt.“
    Doch mir reichte diese Bemerkung. Langerbeins hatte garantiert nicht auf eigene Rechnung gehandelt, da steckte noch jemand hinter.
    Aber wer?
     
     
    Küpper wollte den verängstigten Schmitz sofort zu Bahn schleppen. „Der Gang in die Öffentlichkeit wird Sie wahrscheinlich mehr schützen als weiteres Schweigen“, vermutete der Kommissar wohl nicht zu Unrecht.
    Mir kam der schnelle Aufbruch der beiden nicht ungelegen. Schmitz’ Bekenntnis gab mir zusätzliche Anhaltspunkte, die allerdings nicht dazu führten, dass die Mordgeschichte durchsichtiger geworden wäre. Es machte nur den Hintergrund des Geschehens verständlicher. Dabei verfestigte sich in mir die Ansicht, dass Gerstenkorn wohl nicht als Mörder Fleischmanns in Frage kam. Der gerissene Politiker wusste wahrscheinlich bei aller moralischen Fragwürdigkeit seines Tuns gut zu unterscheiden zwischen politischen Machenschaften und kriminellen Handlungen. Ich war fast schon dazu bereit, ihn aus dem Kreis meiner Verdächtigen zu streichen; wenn da nicht sein ausgebrannter Geländewagen gewesen wäre.
    Lang ausgestreckt lag ich in meinem Bett und starrte nachdenklich gegen die weiße Zimmerdecke. Irgendetwas musste ich übersehen haben, irgendeinen Aspekt beachtete ich zu wenig, sagte ich mir. Aber was?
    Gerne hätte ich mich jetzt mit Renates Soziogramm beschäftigt, aber das lag bei mir zu Hause auf dem Schreibtisch. Van Dyke und Schmitz, falls für die beiden „D“ und „S“ standen, dann könnte ich Renates Kombinationsgewirr vielleicht vom markierten Ergebnis her aufdröseln. Doch mit dieser Aufgabe musste ich wohl oder übel noch warten.
    Symbolisch klopfte ich der Lektorin anerkennend auf die Schulter. Sie hatte wahrscheinlich die dubiose Geschichte durchschaut, kam aber nicht mehr dazu, aus ihrer Erkenntnis die richtige Konsequenz zu ziehen. Ein neuer Gedanke beunruhigte mich: Hatte Renate etwa versucht, Fleischmann mit ihrem Wissen zu erpressen? Das wollte und konnte ich nicht glauben, bestimmt nicht, redete ich mir ein, ,so etwas würde Renate nie tun.’ Aber ich tat mich schwer damit, mir Glauben zu schenken.
    Ich lehnte mich in das Bett zurück, verschränkte die Hände hinter dem Kopf, schloss

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