Der groesste Teil der Welt
zu werden.
»Aha«, sagte er. »Du findest es also nicht grundsätzlich falsch, für Geld von etwas überzeugt zu sein oder es zu behaupten?«
»Grundsätzlich falsch«, sagte sie. »Himmel, das ist ein großartiges Beispiel von verkalkter Moral. Das muss ich mir für meinen alten Lehrer in Moderner Ethik merken, Mr. Bastie, der sammelt so was. Es ist so«, sagte sie, setzte sich gerade und richtete ihre (trotz ihrer freundlichen Mimik) ziemlich ernsten Augen auf Alex. »Wenn ich überzeugt bin, dann bin ich überzeugt. Wer gibt Ihnen das Recht, meine Gründe zu bewerten?«
»Weil es keine Überzeugung ist, wenn deine Gründe Bargeld sind. Sondern ein Scheiß.«
Lulu guckte pikiert. Auch das war typisch für ihre Generation: Niemand griff zu Kraftausdrücken. Alex hatte wirklich Teenager ohne sichtliche Ironie Dinge wie »Scheibenkleister« oder »Menno« verwenden hören. »Das erleben wir oft«, sagte Lulu nachdenklich und musterte Alex. »Ethische Ambivalenz - das nennen wir ea - gegenüber einer Starken Marketing-Aktion.«
»Sag es nicht: sma.«
»Ja«, sagte sie. »Was in Ihrem Fall bedeutet, das blinde Team zusammenzustellen. Zuerst hat es den Anschein, als würden Sie es gar nicht tun wollen, so ambivalent sind Sie, aber ich glaube, das Gegenteil ist der Fall: Ich glaube, die ea ist eine Art Impfung, eine Art vorauseilende Entschuldigung für etwas, das Sie in Wirklichkeit sehr gerne tun wollen. Das soll keine Beleidigung sein«, fügte sie hinzu.
»Wie zu sagen, das soll keine Beleidigung sein, wenn man gerade jemanden beleidigt hat?«
Lulu passierte das extremste Rotwerden, das Alex je beobachtet hatte: Eine glühend rote Hitze überzog ihr Gesicht so plötzlich, dass es Alex vorkam wie ein gewaltsames Ereignis, als ersticke sie oder stehe kurz vor einem Blutsturz. Er setzte sich wie aus einem Reflex heraus auf und sah nach Cara-Ann. Er stellte fest, dass ihre Augen weit geöffnet waren.
»Sie haben recht«, sagte Lulu und holte zitternd Atem. »Entschuldigung.«
»Keine Panik«, sagte Alex. Lulus Erröten hatte ihn mehr aus dem Konzept gebracht als ihr Selbstvertrauen. Er sah zu, wie es sich aus ihrem Gesicht zurückzog und ihre Haut knallweiß hinterließ. »Alles in Ordnung bei dir?«, fragte er.
»Mir geht’s gut. Das viele Reden ermüdet mich nur.«
»Geht mir auch so«, sagte Alex. Er war ganz erschöpft.
»Es gibt so viele Möglichkeiten, es falsch zu machen«, sagte Lulu. »Wir haben nur Metaphern, und sie passen nie richtig. Man kann nie einfach sagen: So. Ist. Das.«
»Is die da?«, fragte Cara-Ann und starrte Lulu an.
»Das ist Lulu.«
»Kann ich Sie nicht einfach antexten?«
»Du meinst…?«
»Jetzt? Darf ich Ihnen ein T schicken?« Die Frage war reine Formsache, sie war schon mit ihrem Smartpad beschäftigt. Gleich darauf vibrierte Alex’ eigenes in seiner Hosentasche. Er musste Cara-Ann anders legen, um es zu erreichen.
HättN sie namN fü mi?, (Diess ist kein Einlesefehler - der Text ist so fehlterhaft . Der Scanner) las er auf dem Display, ki pr, gab Alex ein und ließ die Liste von fünfzig Kontaktpersonen zusammen mit Anmerkungen, Tipps für die Herangehensweise und individuellen Tabus in Lulus Smartpad fließen.
Super. Ich leg los.
Sie schauten einander an. »Ging doch«, sagte Alex.
»Ich weiß«, sagte Lulu. Sie sah vor Erleichterung fast schläfrig aus. »Das ist unverfälscht, rein - keine Philosophie, keine Metaphern, keine Urteile.«
»Harn«, sagte Cara-Ann. Sie zeigte auf Alex’ Smartpad, das er ohne nachzudenken nur wenige Zentimeter von ihrem Gesicht entfernt benutzt hatte.
»Nein«, sagte er, plötzlich besorgt. »Wir… wir müssen los.«
»Warten Sie«, sagte Lulu und schien Cara-Ann erst jetzt zu bemerken. »Ich texte sie an.«
»Ah, wir wollen nicht…«, aber Alex fühlte sich nicht in der Lage, seine mit Rebecca geteilten Überzeugungen zu Kindern und Smartpads zu erklären. Und jetzt vibrierte sein eigenes wieder. Cara-Ann kreischte vor Entzücken und bohrte ihren molligen Zeigefinger in den Bildschirm. »Ich da«, teilte sie ihm mit.
Hast i nettN dad, kli, las Alex pflichtbewusst vor, und sofort wurde sein eigenes Gesicht von Röte überzogen. Cara-Ann schlug mit der hektischen Glut eines hungrigen Hundes, der in einem Fleischlager losgelassen worden ist, auf die Tasten ein. Jetzt erschien ein Blubby, eines der üblichen Bilder, die man Kindern schicken konnte: ein Löwe unter einer strahlenden Sonne. Cara-Ann zoomte unterschiedliche Teile
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