Der Große Basar: Roman
den Gefahren in Baha kad’Everam warnen sollen. Sagen wir einfach, jetzt sind wir quitt.« Noch ein kräftiger Händedruck, dann schlüpfte Arlen hinaus in die Nacht.
Im Morgengrauen kehrte er in seine Herberge zurück und benahm sich so, als hätte er am alagai’sharak teilgenommen. Niemand stellte dies infrage, und er konnte unbehelligt seine Besitztümer einpacken und aus Fort Krasia verschwinden, ehe sich die ersten Einwohner aus der Unteren Stadt hervorwagten. Die dal’Sharum , die die Tore bewachten, hoben sogar grüßend ihre Speere, als er sie passierte.
Beim Reiten hielt er das kostbare Rohr mit den Landkarten fest umklammert. Zuerst wollte er Fort Rizon aufsuchen und sich dort mit Proviant eindecken, und dann würde er nach Anochs Sonne suchen, der verlorenen Stadt.
Ein Zischen lief durch den Basar, als die Händler einander vor den nahenden dama warnten.
Eilig zog sich Abban in sein Zelt zurück und linste durch den schmalen Spalt zwischen den Zeltklappen, während eine Eskorte schwarz gekleideter dal’Sharum -Krieger erschien und rücksichtslos die Leute beiseitestieß, um Platz zu machen für eine Gruppe äußerst empört dreinblickender dama und einen jungen, mageren Schüler. Abbans Finger verkrampften sich in der Leinwand,
als die Prozession die Straße hochmarschierte und vor seinem Pavillon stehen blieb.
Beflissen humpelte Amit herbei. Der verkrüppelte dal’sharum deutete ein Nicken an und erkundigte sich bei einem der Krieger: »Seid ihr endlich gekommen, um den khaffit abzuholen? Was immer ihr ihm zur Last legt, ich versichere euch, er hat noch viel schlimmere Verbrechen begangen …«
Das Wort blieb ihm im Halse stecken, als der dal’Sharum ihm das stumpfe Ende seines Speers ins Gesicht knallte. Blut und Zähne spritzten aus dem Mund des Händlers, der in den Staub fiel. Er wollte wieder aufstehen, doch der Krieger, der ihn geschlagen hatte, trat rasch hinter ihn, presste seinen Speer unter Amits Kinn und rammte ihm ein Knie in den Rücken; in diesem Würgegriff hebelte er Amits Kopf nach oben, bis er den dama und den Jungen ansehen musste.
»Ist das der Mann?«, fragte der dama , der die Gruppe anführte, den Knaben.
»Ja«, antwortete Jamere. »Er drohte, meine Mutter zu töten, wenn ich nicht gehorche.«
»Was?!«, keuchte Amit. »Ich habe dich noch nie in meinem Leben gesehen …!« Wieder drückte der Krieger mit dem Speer zu, und Amits Worte gingen in einem Gurgeln unter.
»Erkennst du das hier?«, brüllte der dama und hielt den Speer hoch, den Abban auf der Straße hatte fallen lassen, und an den der grell orangefarbene Stofffetzen gebunden war, den er dazu benutzt hatte, Jamere das Zeichen zu geben. »Hältst du uns für dumm? Jeder weiß,
dass du ein weibisches orangefarbenes Taschentuch an deiner kümmerlichen Waffe befestigst, du Krüppel!«
» Dama , seht!«, rief ein Krieger, der ein Kamel aus Amits Pferch führte. »Das Tier wurde vor kurzem mit einer Peitsche geschlagen, und die Hufe sind mit Leder umwickelt!«
Amit traten die Augen aus den Höhlen, doch es war schwer zu sagen, ob vor Verblüffung oder weil der ständige Druck des Speers an seiner Kehle ihn zu ersticken drohte. »Das ist nicht mein …«, war alles, was er hervorhusten konnte.
»Verrate uns, wie dein Komplize heißt!«, forderte der dama ihn auf. Der Krieger hinter Amits Rücken lockerte ein klein wenig den Speer, damit der Händler antworten konnte.
In Amits Stimme fand sich keine Spur mehr von seinem früheren selbstgefälligen Gehabe, verflogen war seine Überzeugung, seine Position in dieser wie in der nächsten Welt sei gesichert. Gebannt lauschend, ergötzte sich Abban an der mitleiderregenden Verzweiflung seines Rivalen, der immer wieder seine Unschuld beteuerte und um sein Leben bettelte.
»Reißt ihm die schwarzen Gewänder vom Leib!«, befahl der dama , und Amit kreischte in höchsten Tönen, als die Krieger ihre Fäuste in seine Gewänder krallten und solange daran zerrten, bis der verkrüppelte Mann nackt auf der Straße lag. Die dal’Sharum packten ihn bei den Armen und zogen seinen Kopf an den Haaren nach hinten, um sicherzugehen, dass er dem vor ihm knienden dama in die Augen blicken konnte.
»Jetzt bist du ein khaffit , Amit, ohne Abstammung, die es wert wäre, erwähnt zu werden«, fauchte der dama . »Vergiss das nicht während der kurzen, qualvollen Zeit, die du noch zu leben hast. Denn wenn dein Geist diese Welt verlässt, wird er auf ewig vor die Tore des Himmels
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