Der Große Basar: Roman
Unwillkommene Erinnerungen stiegen in ihm hoch: Der Flammendämon, den er als Junge vom Rücken seiner Mutter gerissen hatte, und die lange, kalte Nacht, die sie im Schlamm eines Tierpferchs verbrachten, während die Dämonen herumtanzten und die Siegel auf Schwachstellen
prüften. Erinnerungen an die Nacht, als er aus Versehen einem fünfzehn Fuß großen Felsendämon den Arm abschlug, der ihn seither mit seinem Hass verfolgte.
Er ballte die Faust und hielt sie dicht unter Curks Hakennase. »Was ich geleistet habe oder nicht, geht dich nichts an, Curk. Fass noch einmal meine Rüstung an, und du spuckst Zähne, die Sonne sei mein Zeuge!«
Curk kniff die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen. Er war größer als Arlen, aber der war jung, kräftig und nüchtern. Vielleicht rückte er deshalb nach einer Weile von ihm ab und nickte entschuldigend mit dem Kopf. Es konnte auch sein, dass er in erster Linie nicht auf den starken Rücken eines Kurierlehrlings verzichten wollte, wenn es an der Zeit war, die Karren zu be- und entladen.
»Hab mir nichts Böses dabei gedacht«, grummelte Curk, »aber als Kurier wirst du es nicht weit bringen, wenn du Angst hast, dir deine schöne Rüstung zu zerschrammen. Und jetzt schwing die Füße. Der Gildemeister will uns noch sehen, bevor wir aufbrechen. Je früher wir das hinter uns haben, umso schneller können wir auf der Straße sein.«
Sofort vergaß Arlen seinen Unmut und folgte Curk in das Gildehaus. Ein Sekretär lotste sie in das Büro des Gildemeisters Malcum, einen weitläufigen Raum, vollgestopft mit Tischen, Landkarten und Schiefertafeln. Der Gildemeister, selbst ein ehemaliger Kurier, hatte durch die Horclinge ein Auge und einen Teil seines Gesichts
verloren, doch nach der Verwundung versah er noch jahrelang seinen Dienst als Kurier. Mittlerweile war sein Haar angegraut, aber er schien immer noch vor Kraft zu strotzen, und man legte sich nicht leichtfertig mit ihm an. Mit einem einzigen Federstrich konnte er die Karriere eines Kuriers fördern oder beenden, oder den Niedergang eines bedeutenden Hauses bewirken. Der Gildemeister saß an seinem Schreibtisch und schien damit beschäftigt zu sein, einen riesigen Haufen von Formularen zu unterschreiben.
»Ihr müsst schon entschuldigen, wenn ich weiterarbeite, während wir uns unterhalten«, hob Malcum an. »Aber wenn ich nur einen kurzen Augenblick aufhöre, verdoppelt sich der Stapel. Setzt euch. Möchtet ihr etwas trinken?« Er deutete auf eine Kristallkaraffe am Rand des Schreibtischs. Sie enthielt eine bernsteingelbe Flüssigkeit, und daneben standen Gläser.
Curks Augen funkelten. »Ich könnt schon was vertragen.« Er schenkte sich ein Glas ein und kippte es herunter; Grimassen schneidend, füllte er es fast bis zum Rand nach und nahm erst dann Platz.
»Deine Tour zu der Kohlemine des Herzogs wurde verschoben«, eröffnete Malcum ihm. »Ich erteile dir einen dringenderen Auftrag.«
Curk blickte auf das Kristallglas in seiner Hand und verengte die Augen. »Wohin?«
»Graf Brayans Gold«, antwortete Malcum, ohne den Blick von den Papieren zu heben. Arlens Herz tat einen Sprung. Brayans Gold war die abgelegenste Minenstadt im Herzogtum. Von Fort Miln bis dorthin war man
zehn Nächte unterwegs, es war die einzige Mine auf dem dritten Berg im Westen und lag höher als alle anderen.
»Das ist doch Sandars Route«, protestierte Curk.
Malcum löschte die Tinte auf einem Formular und legte dieses auf einen stetig wachsenden Stoß Blätter. Flink tunkte er seine Feder in das Tintenfass. »Richtig, aber gestern ist Sandar von seinem verdammten Pferd gefallen. Hat sich ein Bein gebrochen.«
»Zum Horc, verflucht nochmal«, murmelte Curk. In einem einzigen Zug leerte er sein Glas bis zur Hälfte und schüttelte dann den Kopf. »Schick jemand anders. Ich bin zu alt, um mir wochenlang den Arsch abzufrieren und in der dünnen Luft Atemnot zu kriegen.«
»So kurzfristig steht aber kein anderer zur Verfügung«, wandte Malcum ein, während er fortfuhr zu unterschreiben und die Tinte zu löschen.
Curk zuckte die Achseln. »Dann wird Graf Brayan eben warten müssen.«
»Der Graf bietet für den Auftrag tausend Goldsonnen«, erklärte Malcum.
Sowohl Curk als auch Arlen sperrten Mund und Augen auf. Tausend Sonnen waren für jede Kuriertour ein Vermögen.
»Wo steckt der Haken?«, fragte Curk argwöhnisch. »Was wird so dringend gebraucht, dass diese Reise keinen Aufschub duldet?«
Nun hielt Malcum endlich die Hand still und
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