Der Große Basar: Roman
schweben.
»Derek?«, rief er.
»In der Küche!«, antwortete der Stationshüter. »Lass dich von deiner Nase leiten!«
Arlen sog schnüffelnd die Luft ein, und sein Magen knurrte noch lauter. Seine Nase führte ihn ohne Umwege in die Küche, wo Derek, angetan mit einer Schürze und dicken Lederhandschuhen, emsig herumfuhrwerkte.
»Setz dich«, forderte er Arlen auf und zeigte auf den nächsten Stuhl an einem ovalen Tisch, der mitten im Raum stand und so groß war, dass zwanzig Männer gleichzeitig dort ihre Mahlzeiten einnehmen konnten. »Das Essen ist gleich fertig. Fühlst du dich wieder wie ein Mensch?«
Arlen nickte und nahm Platz. »Erst jetzt, wo ich wieder sauber bin, wird mir klar, wie schmutzig ich gewesen sein muss.«
Derek trat an ein Fässchen und füllte einen Krug mit schäumendem Bier. Mit einer Geschicklichkeit, die von viel Übung zeugte, verpasste er dann dem Krug einen Schubs und ließ ihn auf dem glatt polierten Tisch zu Arlen schlittern. »Die Fässer lagere ich im Schnee, bis sie gebraucht werden. Das hier habe ich extra für dich angezapft.« Er griff nach seinem eigenen Krug, hob ihn an und prostete Arlen zu.
Arlen folgte seinem Beispiel, und beide tranken in tiefen Zügen. Überrascht schaute Arlen auf seinen Krug. »Vielleicht hat die Woche auf der Landstraße meinen Verstand getrübt, aber ich könnte schwören, dass dieses Bier in Torfhügel gebraut wurde.«
»Es wurde den ganzen weiten Weg von Tibbets Bach bis hierher gebracht«, gab Derek ihm Recht, nahm Arlens Krug und setzte ihm eine neue Schaumkrone auf. »Es hat viele Vorteile, wenn man jeden Kurier, Fuhrmann und Karawanenbegleiter mit Namen kennt.«
»Das erste Bier, das ich je trank, kam aus Torfhügel«, erzählte Arlen, trank einen Schluck und ließ ihn langsam über die Zunge gleiten. Auf einmal war er wieder zwölf Jahre alt und hörte zu, wie Ragen und der alte Vielfraß im Gemischtwarenladen von Tibbets Bach miteinander feilschten.
»Das erste Bier schmeckt immer am besten«, meinte Derek.
Arlen nickte und widmete sich wieder seinem Krug. »An diesem Tag hat sich mein Leben von Grund auf verändert.«
Derek lachte. »Das geht wohl jedem Mann so.« Er setzte seinen Krug ab, nahm ein paar harte, ausgehöhlte Brotlaibe und füllte sie mit einem sämigen Fleisch- und Gemüseeintopf.
Arlen stürzte sich auf das Essen wie ein Horcling, riss Brocken der warmen Kruste ab und löffelte damit den köstlichen Eintopf in seinen Mund. Binnen weniger Minuten hatte er seinen Teller bis auf den letzten Krümel und Fettfleck blankgeputzt. Noch nie zuvor hatte eine Mahlzeit ihn so zufriedengestellt.
»Bei der Nacht, nicht einmal meine Mam konnte so gut kochen«, lobte er.
Derek schmunzelte erfreut. »Hier draußen gibt es nicht besonders viel zu tun, deshalb habe ich mich zu einem ganz annehmbaren Koch gemausert.« Er räumte die Teller und Bierkrüge ab und stellte stattdessen Kaffeetassen auf den Tisch. Das Gebräu verströmte ein erstaunliches Aroma.
»Wenn du möchtest, können wir den Kaffee draußen in der Veranda trinken und den Sonnenuntergang genießen«, schlug Derek vor. »Der Vorbau hat große Fenster aus diesem neuen, mit Siegeln geschützten Glas, das man seit ein paar Jahren herstellt. Hast du so was schon mal gesehen?«
Arlen lächelte. Er war derjenige gewesen, der die Glassiegel nach Miln gebracht hatte, und in Cobs Werkstatt wurden sämtliche Glasarbeiten für Graf Brayan ausgeführt.
Wahrscheinlich hatte er, Arlen, die Scheiben sogar selbst mit Siegeln versehen.
»Ich habe davon gehört«, antwortete er, weil er den Stationshüter nicht enttäuschen wollte, der ungeheuer stolz dreinschaute.
Als sie die Küche verließen, lösten glatte Kiefernholzdielen den Steinboden ab, und sie betraten einen großen Gemeinschaftsraum mit Bänken, auf denen gemütliche Kissen lagen, und niedrigen Tischen. Arlens Blick wanderte sofort zu den Fenstern, und er schnappte nach Luft.
Bis jetzt hatte er geglaubt, dass der Blick auf die Berge vom Dach der herzoglichen Bibliothek in Miln durch nichts übertroffen werden könnte. Doch die Aussicht, die man von dort oben hatte, war nichts verglichen mit dem Panorama, das sich einem Besucher der Wegstation darbot, die selbst noch die höchsten Gipfel zu überragen schien. Tief unten jagten Wolken dahin, und wenn sie sich teilten, konnte er in weiter Ferne Fort Miln als winzigen Punkt erkennen.
Sie setzten sich vor die Fenster, und Derek holte zwei Pfeifen, einen Beutel mit Kraut
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