Der Große Basar: Roman
sich noch Reste von Schnee, und nun, da der schneidende Wind den Stahl kühlte, kam ihm seine Rüstung längst nicht mehr so warm vor. Er ging dazu über, jeden Tag eine ziemlich lange Strecke neben dem Karren zu marschieren, nicht nur, um seinen Blutkreislauf in Schwung zu halten, sondern auch, um Morgenröte zu entlasten, die tapfer die Arbeit von zwei Pferden verrichtete. Sie kamen nur langsam voran, aber als Arlen den nächsten von Brayans großen Siegelpfosten erreichte, blieben ihm bis zum Einbruch der Dunkelheit immer noch ein paar Stunden Tageslicht. Also zog er weiter und kampierte in der Abenddämmerung in seinen eigenen Bannzirkeln. Am nächsten Tag kam er ebenfalls zu früh an dem Siegelpfosten an, dafür tauchte der vierte gerade rechtzeitig auf, bevor die Dunkelheit einsetzte, so dass er in seinem Schutz lagerte.
Der Pfad wurde steiler, die Bäume kleiner und verkrüppelter, und zwischen den Felsen und dem Schnee gedieh nur eine verkümmerte Vegetation. In zahlreichen Windungen und Kehren schlängelte sich der Weg bergan, die nicht endenden Radfurchen führten mitunter in meilenweiten Umwegen um Hindernisse herum,
deren Größe so gewaltig war, dass man sie beim Anlegen der Trasse nicht hatte entfernen oder durchstoßen können. Aber es ging stetig bergan, und das Klima wurde zunehmend rauer. Aus den Furchen wurden Rinnen im Schnee, Bäume wuchsen hier überhaupt nicht mehr.
Er versuchte nicht mehr, Brayans Siegelpfosten zu ignorieren; am Ende eines jeden Tages fühlte er sich so erschöpft, dass er froh war, in ihrem Schutz rasten zu können, obwohl er oft den daran klebenden Schnee abkratzen musste, um die volle Kraft der Siegel wiederherzustellen.
Am siebten Tag nach seinem Aufbruch von Miln erspähte Arlen hoch oben an der Bergflanke die Zwischenstation, die Malcum angekündigt hatte. Es war ein kleines Gebäude, kaum mehr als eine Hütte, doch nachdem er tagelang eisige Kälte, beißenden Wind und Einsamkeit ertragen hatte, sehnte sich Arlen nach einem Dach über dem Kopf und menschlicher Gesellschaft.
»Ay, Station!«, brüllte er, und sein Schrei brach sich als Echo an der hochgelegenen Felswand.
»Ay, Kurier!«, ertönte wenig später die hallende Antwort.
Es dauerte noch fast eine Stunde, bis Arlen die in den Berg hinein gebaute Station erreichte. Die Siegel an dem Gebäude wirkten plump, aber sie waren akkurat ausgeführt, und er entdeckte viele Schutzzeichen, die er noch gar nicht kannte. Sofort zückte er sein Journal und zeichnete sie ab.
Der Hüter der Station, ein Mann mit einem gelben Bart, eingemummelt in eine dicke, mit dem Fell von Nachtwölfen gefütterte Jacke, auf der Graf Brayans Wappen prangte, kam heraus, um ihn zu begrüßen. Er war noch jung, vielleicht zwanzig Winter alt, und trug keine Waffe. Eine behandschuhte Hand ausgestreckt, stapfte er auf Arlen zu.
»Du bist nicht Sandar«, lächelte er.
»Sandar hat ein gebrochenes Bein«, erklärte Arlen.
»Es gibt also doch einen Schöpfer!« Der Bursche lachte schallend. »Ich bin Derek von den Goldmännern.«
»Arlen Strohballen, aus Tibbets Bach«, stellte Arlen sich vor und drückte fest die dargebotene Hand.
»Dann weißt du also, wie es ist, am Ende der Welt zu wohnen«, meinte Derek. »Ich will alles über dein Zuhause hören.« Er schlug mit der Hand auf Arlens Schulter. »Drinnen gibt es heißen Kaffee, wenn du dich aufwärmen möchtest. Ich bringe dein Pferd in den Stall und verstaue den Karren.« Es war erst gegen Mittag, aber es war ganz klar, dass Arlen in der Station übernachten würde. Derek schien genauso erpicht darauf zu sein, sich mit jemandem unterhalten zu können, wie Arlen.
»So kalt ist mir nicht, dass ich die Fuhre nicht selbst verstauen könnte«, behauptete Arlen, obwohl seine Hände und Füße vor Kälte schmerzten und sein Gesicht sich taub anfühlte. Nach allem, was er mit Sandar erlebt hatte, wollte er die Kisten mit den Donnerstöcken nicht aus den Augen lassen, bis er sie sicher weggesperrt wusste.
Derek zuckte die Achseln. »Von mir aus kannst du dich mit dem Karren abquälen, wenn dir danach ist.« Er griff nach Morgenrötes Zügeln und ging voraus zu einem zweiflügeligen hölzernen Scheunentor, das tief in die felsige Bergflanke eingelassen war.
»Und jetzt beeil dich!«, rief Derek Arlen zu, als er seine Hand auf den wuchtigen Eisenring legte, der von einem der Torflügel herabhing. »Damit die Wärme nicht nach draußen entweicht.« Er öffnete das Tor gerade mal so weit, dass
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