Der große Bio-Schmaeh
unterschiedlich. Tirol, wo sich die Region Kitzbühel besonderer Beliebtheit in der Bio-Milchwerbung erfreut, gilt zum Beispiel als verhältnismäßig dicht besetzt mit Kuherziehern. In anderen Bundesländern findet man das Gerät kaum. Manche Bio-Verbände haben zwar die Unzulässigkeit des Kuhtrainers in ihre Statuten aufgenommen, jedoch wird diese Vorgabe in der Praxis nicht konsequent umgesetzt. Kuherzieher gehören in Österreichs Bio-Ställen noch nicht der Vergangenheit an. Die Zeit, in der der Elektroschocker eingeschaltet sein darf, ist im Tierschutzgesetz mit einem Tag pro Woche festgelegt. Für Kontrolleurinnen und Kontrolleure besteht jedoch keine Möglichkeit, die Einhaltung dieser Vorgabe zu überprüfen.
Es ist kaum mehr zu rechtfertigen, wie sehr die Milchwerbung der Lebensmittelkonzerne auf unsere Sehnsüchte nach Berg- und Almidylle abzielt und dabei das Bild der Konsumenten von der Milchproduktion drastisch verzerrt. Dies gilt sowohl für die Werbung von Bio-Marken als auch für jene der herkömmlichen Milchmarken. Die »weiße« Palette zählt in Supermärkten und bei Discountern zu den kommerziell ertragreichsten Produktgruppen. Und es wird alles daran gesetzt, diese Geldquelle am Sprudeln zu erhalten. »Frische Milch aus dem Nationalpark Hohe Tauern« verkauft sich eben besser als industriell abgepackte Bio-Milch aus Anbindehaltung.
Würde man im Marketing weniger auf Verschleierung und Schönfärberei setzen, bestünden bessere Chancen, die Missstände in der Bio-Rinderhaltung durch öffentliche Thematisierung zu beseitigen. Somit entpuppt sich auch in diesem Fall die auf Irreführung aufbauende Werbung, die Konsumentinnen und Konsumenten in Unwissenheit lässt, als der eigentliche Fehltritt der Bio-Konzerne.
Gegen die Begriffsverwirrung
Auslauf:
Unter »Auslauf« versteht man die Möglichkeit der Rinder, sich unter freiem Himmel außerhalb des Stalls zu bewegen. Laut EU-Bio-Verordnung müssen Rinder an hundertachtzig Tagen pro Jahr in den Auslauf gelassen werden – es wird aber nicht vorgeschrieben, wie lange. Ein Auslauf muss nicht begrünt sein, ein eingezäunter Bereich vor dem Stall reicht aus. Manche Bio-Laufställe (das sind Ställe ohne Anbindung der Rinder) verfügen in der Mitte über eine Aussparung im Dach. Durch diese Lücke regnet es herein und die Sonne scheint hindurch. Solche Installationen gelten auch in der biologischen Rinderhaltung bereits als Auslauf, wenn sie breit genug sind. Die Tiere brauchen dann nicht mehr aus dem Stallbereich gelassen werden.
Weide:
Eine Weide ist eine pflanzenbewachsene Freilandfläche. Laut Gesetz besteht keine Verpflichtung, Bio-Rindern diesen Grünauslauf zu ermöglichen. Manche Bio-Verbände und Vermarkter schreiben jedoch ein Mindestkontingent an Weidetagen vor, wobei auch dann kein zwingendes Minimum für die Aufenthaltsdauer festgelegt wird. Der Weidegang ist außerdem
nicht
gleichbedeutend mit dem saisonalen Almauftrieb.
Almwirtschaft:
Erst in der Almwirtschaft kommt es während der Sommermonate zu einem saisonalen Aufenthalt der Tiere im Freien. Doch selbst in diesen Fällen verbringen viele Rinder die kalte Jahreszeit angekettet im Stall. Ausgewählte Betriebe mit Almwirtschaft werden in Bio-Werbebeiträgen bevorzugt gezeigt, obwohl sie nicht die Regel darstellen.
Bergbauer:
Bergbauernheumilch, Bergbauernkäse, Bergbauernjoghurt, Bergbauernbutter oder Bergbauernjoghurtbutter, Bergbauernschlagobers, Bergbauernmilchshakes, Bergbauernmolke, Bergbauernsauerrahm, Bergbauerntopfen, Bergbauernfrischkäse … kurzum:
Bergbauernidylle!
Diese vermarktet sich offenbar vorzüglich, sonst würde man nicht in den Filialen so vieler Supermarkt- und Discounthandelsketten in Hülle und Fülle auf den Bergbauernbegriff stoßen; und zwar sowohl auf biologischen als auch auf konventionellen Produktverpackungen. Gibt es überhaupt so viele Bergbauern in Österreich, um diese Produktmasse aus ihrer Milch herzustellen? Ja, es gibt sie, lautet die Antwort. Und das geht so: Während wir, wenn wir das Wort »Bergbauer« hören, sofort an romantische Almen und Kühe im Gebirge denken, und während die Werbung alles tut, um diese Vorstellungen in unseren Köpfen am Lodern zu halten, ist die formale Definition des Bergbauerntums weit weniger idyllisch. Juristisch betrachtet, also laut der österreichischen Bergbauernverordnung, ist ein »Bergbauer« jemand, der unter »erschwerten Bedingungen« Landwirtschaft betreibt. Laut Angaben des Bundesministeriums für
Weitere Kostenlose Bücher