Der große Bio-Schmaeh
Bio-Lebensmittel folgendermaßen zusammen: Ab-Hof-Verkauf, Versand, Hauszustellung, Wochenmarkt und reine Bio-Läden außerhalb des konventionellen Handels. 69 Für größere Betriebe, für welche Direktmarketing nicht mehr durchführbar ist, wurde der Zusammenschluss zu Erzeugerkooperativen durch die Bio-Bäuerinnen und Bio-Bauern selbst empfohlen, die aber gegenüber dem konventionellen Großhandel unabhängig bleiben sollten. Auch die Weiterverarbeitung der landwirtschaftlichen Produkte wird in der ökolandbaulichen Literatur als Teil der bäuerlichen Tätigkeit dargestellt, die nach Möglichkeit am Hof stattfinden sollte. 70
Bereits in den 1990er-Jahren wurden die beginnenden Praktiken von großen Verarbeitungs- und Handelsunternehmen aus dem konventionellen Sektor, große Mengen von Bio-Lebensmitteln verschiedener in- und ausländischer Herkunft zusammenzufassen und unter eigenen Bio-Warenzeichen zu vermarkten, vielfach kritisch aufgenommen. Der Einsatz für Direktvermarktung, der innerhalb der Ökolandbaubewegung und heute noch auf dem ökologischen Nischenmarkt herrscht, hat gute Gründe. »Ich kenne jede einzelne Kundin und jeden einzelnen Kunden!«, sagte mir Helmut Butolen, der Waldviertler Mischkulturbauer. Und umgekehrt ist es genauso: »Meine Kundschaft kennt mich, wir haben sozialen Kontakt zueinander. Oft ergeben sich kurze Gespräche zwischen Tür und Angel, wenn ich meine Bio-Gemüsekisten zustelle.« Der Bio-Bauer sieht einen gravierenden Vorteil im direkten Kontakt zwischen Kunden und Produzenten: »Denn Lebensmittelkauf ist Vertrauenssache, vor allem, wenn es um Bio geht.«
Die Vorteile der ökologischen Direktvermarktung auf einen Blick
Umgehung von Handelskonzernen und deren kommerzieller Interessen
Ausschaltung des Zwanges zum Wachsen oder Weichen, der von Handelskonzernen verursacht wird
direkter Warenfluss von den Landwirten zu den Konsumenten
dezentrales Vermarktungssystem und daher höhere Krisensicherheit
ökologisch und ökonomisch nachhaltige Handelsbeziehungen
im Idealfall: Konsumenten kennen die Produzenten persönlich
höheres Umsetzungspotenzial der eigentlichen Ansprüche an die ökologische Landwirtschaft
die Konsumenten werden keiner manipulativen Massenwerbung ausgesetzt
Massenschlachthöfe und Massentiertransporte verlieren ihre Notwendigkeit
Landwirte können vermehrt auf Vielfalt anstatt auf monotone Einheitsproduktion setzen
Entwicklungsmarkt für alte Sorten und Rassen
Die Vorteile der ökologischen Direktvermarktung auf einen Blick
Der steirische Bio-Laden-Pionier Rupert Matzer, der sich gar nicht so nennt, fühlt sich vor allem als Vermittler zwischen den Landwirten auf der einen Seite und seinen Kunden auf der anderen. In unserem Gespräch erklärte er mir: »So weit es mir möglich ist, halte ich regen Kontakt zu meinen Produzenten.« Und wie sieht die Preispolitik im Hause Matzer aus? »Den Preis bestimmen die Bauern. Ich schlage meine Spanne auf und lege die Ware ins Regal. Ob der Preis in Ordnung ist, entscheiden dann meine Kunden.« Das handhabe er deswegen so, weil »der Preis im Ökolandbau schon immer eine Sache zwischen Bauern und Verbrauchern war«. Ein Bio-Händler als reiner Vermittler? Ich war skeptisch, besuchte eine Bauernfamilie, die für Rupert Matzer Hühnerfleisch produziert. »Ist das wirklich so?«, fragte ich die Landwirtin. »Bestimmen tatsächlich Sie den Preis, zu dem Ihre Produkte dann im Regal liegen?« Die Antwort war ein entschiedenes »Ja«. Ja, es sei tatsächlich so. Immer mehr bekam ich den Eindruck, dass die Lage der Bäuerinnen und Bauern des ökologischen Nischenmarktes um einiges entspannter war als die der Bio-Vertragsproduzenten konventioneller Lebensmittelkonzerne.
Walter Janschitz, ein engagierter Bio-Kaufmann in Klagenfurt, will endlich von industriellen Milchkartons loskommen. »Es ist unmöglich, Milch in Mehrwegflaschen aus Glas aufzutreiben«, klagte er. »Viele meiner Lieferanten mussten aufhören. Daher bin ich zum Teil auf die Ware aus Industriebetrieben angewiesen.« Jetzt wolle er aus der Not eine Tugend machen, erzählte er mir bei einer Schale selbst gemachter Gemüsesuppe in seinem Geschäft: »Die Direktvermarktung ist sowieso der beste Weg, den wir im Bio-Landbau gehen können.« Für Bio-Milch habe er sich schon einen gangbaren Weg einfallen lassen, um diese künftig wieder direkt aus den Händen von Bäuerinnen und Bauern anzubieten: »Ich möchte in meinem Bio-Laden einen Milchautomaten aufstellen, wie man
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