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Der große Bio-Schmaeh

Titel: Der große Bio-Schmaeh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clemens G Arvay
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Mittelbetrieben feststellen, sondern wirkt sich auch auf die Situation von Nutztieren aus. Im Sommer 2011 verbrachte ich mehrere Wochen damit, mir Schlachthöfe in ganz Österreich anzusehen. Während dieser Reise traf ich den Bergbauern Josef Z. aus der Region Hohe Tauern. Wir begegneten einander an einem Fluss im Tal bei einem Glas Bier. An beiden Ufern fielen die Berghänge steil gegen die Wasseroberfläche ab. Vor dieser Kulisse erzählte mir der Bergbauer: »Ich stelle Fleisch und Wurstwaren an Privatkunden, Bauernläden und Restaurants zu. Aber zu den alleinstehenden Frauen komme ich mit meinen Lieferungen am liebsten spät abends.« Josef Z. lachte durch seine Zahnlücke, als er das sagte. Er trug einen grauen Filzhut mit einem braunen Hutband. Sein Schnauzbart unterstrich seinen Status als echter Bergbauer. Der Dreitagesbart durfte dabei nicht fehlen. »Wir fallen in die steilste Kategorie für Bergbauernhöfe«, erklärte mir der Landwirt. Mehr als zweitausend Meter über dem Meeresspiegel, auf seiner Alm, halte er Lämmer und Rinder, die im Winter in den Stall getrieben würden. Er habe übers Jahr verteilt auch ein paar Schweine, die ständig Zugang zu einem Freigelände hätten. Alle Tiere ziehe er am eigenen Hof auf. Schließlich lenkte ich das Gespräch auf den Punkt, für den ich mich besonders interessierte. Ich wollte wissen, ob es in der Direktvermarktung Unterschiede in Bezug auf die Situation der Schlachttiere gab. Die Szenen aus dem zentralisierten Bio-Schlachthof und das Sterben der
Ja!Natürlich
-Lämmer im Akkord saßen mir noch im Nacken. Ich fragte, der Bauer antwortete: »Ja klar, da gibt es Unterschiede!«, rief er aus. »Bei mir ist die Schlachtung für die Tiere stressfrei.« Neben uns saß ein Nutztierarzt aus der Region, der den Kontakt zwischen mir und dem Bergbauern Josef erst ermöglicht hatte. Er schaltete sich sofort ein: »Stressfrei«, sagte er mit erhobenem Zeigefinger, »stressfrei kann eine Schlachtung gar nicht sein. Es kann höchstens mehr oder weniger Stress für die Tiere geben.« Der Direktvermarkter nickte und nahm einen großen Schluck Bier. Dann fuhr er fort: »Ja, das meine ich. Ich denke, der Stress ist für meine Tiere bei der Schlachtung so weit reduziert, wie es eben möglich ist.« Der Tod eines gesunden Säugetieres sei eben immer etwas Gewaltsames. Ich wollte wissen, worin genau der Unterschied zwischen seinem Schlachthof und einem großen, zentralen Schlachtbetrieb der Lebensmittelkonzerne lag. »Das fängt beim Transport an. Meine eigenen Tiere führe ich einfach aus dem Stall in die Schlachträume, gleich ins Nebengebäude. Auch sonst muss kein einziges Tier unserer Bauerngemeinschaft, das bei mir geschlachtet wird, mehr als siebzehn Kilometer herangekarrt werden. Außerdem hole ich sie persönlich ab und das tue ich so knapp vor der Schlachtung wie möglich. Es sind Einzeltiere. Die Massentiertransporte fallen bei diesem System völlig aus.« Ich war neugierig geworden und schlug vor, das Gespräch direkt vor Ort fortzusetzen. Wir fuhren in steilen Serpentinen den Berg hinauf. Als wir an Josefs Bergbauernhof angekommen waren, wurde ich durch den grenzenlosen Ausblick in die Gebirgslandschaft belohnt. Der Bergbauer öffnete das Tor zum Schlachtbereich neben dem Stall. Er hob seinen Finger und sagte eindringlich: »Es kommt immer nur ein Tier herein.« Das nennt man Einzeltierschlachtung. Diese steht im krassen Gegensatz zur Akkordschlachtung des Bio-Massenmarktes. Der Tierarzt, der uns auf den Berg begleitet hatte, fügte erklärend hinzu: »Oft wird an einem Tag ohnedies nur ein Tier geschlachtet, egal ob Lamm, Rind oder Schwein. Aber auch dann, wenn es zwei oder drei sind, wird trotzdem immer nur eines hineingebracht. Nach der Schlachtung wird das Tier ausgenommen und in den Kühlraum gehängt. Die Anlage muss gereinigt werden, noch bevor das nächste Einzeltier hereingeholt wird.« Man stand hier offenbar bei Weitem nicht so sehr unter Zeitdruck, wie dies in den Schlachthöfen der Bio TM -Konzerne der Fall war. Ich verstand die zentrale Bedeutung der Aussage. »Wenn alles gereinigt worden ist, kann das nächste Tier auch nichts mehr von dem Blut riechen«, kombinierte ich. »Genau so ist es«, stimmte der Veterinärmediziner zu.
    Er erklärte mir, dass zum Beispiel Rinder einen ausgeprägten Geruchssinn hätten: »Sie sind in der Lage«, sagte er, »Pheromone 73 wahrzunehmen, die von anderen Tieren in Stresssituationen abgegeben werden.« So könne es

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