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Der große Bio-Schmaeh

Titel: Der große Bio-Schmaeh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clemens G Arvay
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Austausch. Sie sind wie Fabrikangestellte«, sagte er. »Sie sind auf Geschwindigkeit gedrillt und beherrschen oft nur einen bestimmten Arbeitsbereich, auf den sie eingeschossen sind.« Das erinnerte mich an die Fabrikarbeiterinnen und Fabrikarbeiter, die ich im Laufe meiner Recherchen in der Bio-Lebensmittelindustrie kennengelernt hatte. »Die Kunden primär als Menschen und nicht nur als manipulierbare Geldquelle zu sehen, das gehörte schon immer zur Öko-Philosophie dazu«, sagte Walter Janschitz und wandte sich zur Eingangstüre seines Bio-Ladens, durch die soeben eine Kundin getreten war.
    »Das Wichtigste an meiner täglichen Arbeit«, legte der angestammte steirische Bio-Händler Rupert Matzer offen, »ist die Vielseitigkeit meiner Funktion.« Er nippte an seiner Teetasse, dann fuhr er fort: »Ich und meine Mitarbeiter erfüllen alle Funktionen in einem: Wir bedienen, wir beraten, wir kommunizieren und wir kassieren. Von Anfang an kümmert sich dieselbe Person um die Kundin bzw. den Kunden. Wir empfinden uns als echte Ansprechpartner.« Von Trennung zwischen Bedienung und Kassa oder von kommerzieller Optimierung dieser Abläufe halte er gerade dann nichts, wenn es um den Kundenkontakt gehe.
    Und er erklärte mir, was ihn in den Supermärkten am meisten störe: nämlich, dass sich dort die anonyme Fließbandtechnologie aus den Herstellerfabriken auch beim Verkauf der Ware fortsetze. Dann sei plötzlich er, ein Mensch aus Fleisch und Blut, die Fließbandware.
    »Die ›Massenproduktion‹ der Kundin und des Kunden, die gefällt mir überhaupt nicht«, sagte der überzeugte Bio-Kaufmann.
    Dem Wiener Bio-Bäcker Dieter Smolle dürfte es ähnlich gehen. Seine Backstube mit dem authentischen Namen »Bäckerei Kornradl« stellt einen Gegenpol zur Bio TM -Bäckerwelt dar. Mit dem Aufbacken gefrorener Rohlinge möchte der leidenschaftliche Bäcker nichts zu tun haben. Stattdessen mahlt er das Getreide direkt in seinem Geschäft und seine Kunden können ihm jeden Tag beim Backen zusehen. Backstube und Verkaufsraum verschmelzen zu einer Einheit. Im Hause Kornradl gibt es daher keine Geheimnisse über die Produktion, die übrigens in reiner Handarbeit vonstatten geht. Direkter lässt sich Bio-Brot nicht mehr verkaufen: vom Backofen in die Einkaufstaschen. Nach meinen Erfahrungen an den knatternden und rasenden Fließbändern der Bio-Industrie war es eine echte Wohltat, in der kleinen, urigen Backstube im siebten Wiener Gemeindebezirk zu Gast zu sein.
Im Namen der Lämmer gegen den Zwang des Wachsens oder Weichens
    Dass in der Ökolandbaubewegung schon immer direkte oder möglichst dezentrale Vermarktungsstrukturen bevorzugt wurden, ist
mit einer zweiten wichtigen Grundposition des Ökolandbaus verbunden: mit dem Widerstand gegen den Zwang des Wachsens oder Weichens.
    Bio-Landwirte, die sich dem konventionellen Massenmarkt unterwerfen, setzen sich dem sogenannten Zwang des Wachsens oder Weichens aus. Die Folge ist ein Strukturwandel in der Bio-Landwirtschaft, der in Wirtschaftslobbies beschönigend als »Strukturbereinigung« bezeichnet wird: Kleinere und mittlere Betriebe müssen dem Wachstumsmarkt weichen.
    Rupert Matzer, der seinen Bio-Laden trotz Mangels an Glasflaschen bis dato frei von Industrieverpackungen hält, engagierte sich in den 1980er-Jahren politisch unter anderem gegen die Zentralisierung des Milchmarktes und die Zerstörung des Mehrwegsystems für Glasflaschen: »Wir sammelten Milchkartons zusammen, die uns von Kunden gebracht wurden, und führten sie auf einem Anhänger vor eine Grazer Milchfabrik. Dort entleerten wir den gesamten Haufen aus Polyethylen und Aluminium direkt vor dem Eingang.« Ich wollte wissen, wie oft das funktioniert habe. »Beim ersten Mal ernteten wir nur verwunderte Blicke. Beim zweiten oder dritten Mal wurde die Polizei gerufen, die uns abmahnte. Wir ließen es dann bleiben.« Politisches Engagement gehörte von jeher zur Ökolandbaubewegung. Der Widerstand gegen die kommerzielle Zentralisierung, den Zwang des Wachsens oder Weichens, wurde aktiv gezeigt. Und das Beachtliche dabei ist: Er richtete sich genau gegen jenes System, das heute nahezu den gesamten österreichischen Markt für Bio-Produkte beherrscht, nämlich gegen den konventionellen Massenmarkt.
    Die zunehmende Zentralisierung und Vereinnahmung des Öko-Marktes durch den Gigantismus lässt sich nicht nur am Schwund landwirtschaftlicher Arten- und Sortenvielfalt im Biolandbau oder an der Dezimierung von Klein- und

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