Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der große Bio-Schmaeh

Titel: Der große Bio-Schmaeh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clemens G Arvay
Vom Netzwerk:
ihn aus früheren Zeiten kennt.« Walter Janschitz sagte, er wolle Bio-Bauern finden, die diesen Milchautomaten in Zukunft mit frischer Milch füllen. »Dann steht hier am Klagenfurter Kardinalsplatz der erste Bio-Milchautomat der Stadt«, drückte der Bio-Händler, der voller Ideen steckt, seine Zukunftsvision aus. Inzwischen hatte ich meine Suppe aufgegessen und blickte mich in dem Laden um. Eine Frau griff nach dem Suppenschöpflöffel. »Ich komme jeden Tag in meiner Mittagspause hierher, um zu essen«, erzählte sie mir später. In einer Ecke stand ein Krug mit Wasser. Darüber ein Schild: »Der erwachsene Mensch besteht zu siebzig Prozent aus Wasser, es ist ein lebenswichtiger Baustoff des Körpers. Genießen Sie jetzt ein Glas frisches Wasser.« Darunter fand ich dann das Preisschild: »Ein Glas Wasser: Null Euro. Eine Flasche Wasser: Null Euro.« Ich dachte an die vielen Restaurants, in denen ich für ein Gläschen Wasser oder sogar für den Toilettengang schon zur Kassa gebeten worden war. Und konnte ich mich erinnern, dass mir jemals in einem Supermarkt auf so freundliche Weise und noch dazu kostenlos Wasser angeboten worden war? Nein, ich konnte es nicht. Supermärkte entstammen einer gänzlich anderen Welt als der Bio-Laden von Walter Janschitz in der Innenstadt von Klagenfurt. In Supermärkten wird mit uns Konsumenten kalkuliert, aber nicht kommuniziert. Das Supermarktmanagement weiß, wie sich die Autopiloten unserer Gehirne aktivieren lassen. Den Begriff »Autopilot« habe ich nicht etwa selbst erfunden. Nein, vielmehr habe ich ihn aus der Fachliteratur für Werbung entlehnt. Dort schreibt man inzwischen schon ganz offen über den großen Plan: Aktiviere den Autopiloten im Kopf der Menschen, auf dass ihr Geld in deine Taschen fließe. Auf »Neuromarketing«, das neue Steckenpferd der Werbebranche, verstehen sich unsere Supermärkte exzellent. Dass POS-Manager 71 ihre Konzernprodukte hirngerecht in den Regalen anordnen, ist schon lange nichts Neues mehr. Aber Achtung: Inzwischen verschaffen sich die kommerziellen Wachstumsstrategen auch über unsere Ohren Zugang zu den Neuroschaltkreisen unter unseren Schädelknochen. Der Clou dabei ist: Sie tun das an Ort und Stelle – dort, wo die Kaufentscheidung fällt, nämlich direkt in den Filialen. Es gibt kaum mehr eine Supermarktkette, die ihre Kunden nicht von früh bis spät mit dem hauseigenen Radiosender berieselt. Endlich können wir jetzt auch beim Einkaufen ununterbrochen Werbung hören! Das klingt dann etwa so: »Und nun zu den Nachrichten. Die Schlagzeilen: In Gang sechs gibt es heute den einzigartigen Bergbauernblumenwiesenkäse von saftigen Kräuterweiden und aus reinsten Zutaten um zwanzig Prozent billiger. So lange der Vorrat reicht. Und jetzt zum Wetter: Die Hohe Warte in Wien verspricht für morgen strahlenden Sonnenschein im ganzen Land. Wie wäre es mit einem netten Grillnachmittag? Greifen Sie jetzt zu unserem Bio-Steppenwildhuhn: bestes Fleisch einer langsam wachsenden Rasse mit extra-braunem Gefieder.« Ein andermal gab sich eine ältere Schauspielerin in einem »Interview« als Großmutter aus und schwärmte von dem neuen Brot aus dem konzerneigenen Backshop, das genauso schmecke wie in ihrer Kindheit. Industriebrot wie aus Großmutters Zeiten? Gibt’s das überhaupt? Und können derart durchschaubare Werbemittel überhaupt wirken?
    Wenngleich die meisten Konsumenten glauben, gegenüber Werbeeinflüssen immun zu sein, können kritische Medienforscher keine Entwarnung geben: »Schicht für Schicht schiebt sich die Werbung zwischen uns und die Realität, bis wir mumifiziert sind«, 72 schreibt etwa der bekannte Autor und Werbekritiker Kalle Lasn. Der Gründer der amerikanischen Media Foundation warnt davor, das tägliche Werbefeuerwerk auf die leichte Schulter zu nehmen. Die unbewusste, neurologische Wirksamkeit moderner Werbung werde von Psychologinnen und Neurowissenschaftlern evaluiert und mitgeprägt, schreibt er. Das menschliche Gehirn ist für die Werbemanager längst nichts »Heiliges« oder Unantastbares mehr. Der Bio-Händler aus Klagenfurt, Walter Janschitz, kann ein Lied über die konventionelle Verkaufsphilosophie singen: »Wenn ich Verkäufer einstelle, die für Supermärkte gearbeitet haben, dann muss ich ihnen meistens zuerst einmal die Langsamkeit näherbringen.« Auf dem Massenmarkt, so erklärte er mir, hätten die Angestellten verlernt, mit der Kundschaft zu kommunizieren. »Alles muss schnell gehen, es gibt keinen

Weitere Kostenlose Bücher