Der große Bio-Schmaeh
den Fotokameras muss ihm wohl für einen Moment entfallen sein, dass ausgerechnet seine eigene Bio-Marke,
Zurück zum Ursprung
, die regelrechte Verkörperung der Vertragslandwirtschaft darstellt – man denke zum Beispiel an den konzerngesteuerten Hühnerproduktionszyklus, in dem die Bauern zu vertraglich gebundenen Geflügelmästern degradiert worden sind. Für alle anderen Bio-Marken des konventionellen Lebensmittelhandels gilt natürlich dasselbe: Bio TM
ist
Vertragslandbau – und zwar in allen Produktbereichen.
Die Goldene Königin und das Grüne Zebra
»Die Kinder werden nicht mehr wissen, wie eine Tomate geschmeckt hat oder ein Apfel oder irgendetwas anderes.«
76
(Karl Otrok, ehemaliger Produktionsdirektor des Saatgutkonzerns Pioneer)
Man spricht wieder von alten Kulturpflanzensorten: vom Roten Ochsenherz und der Goldenen Königin, von Mustafa und vom Schwarzen Prinzen, von Grün im Schnee, Black Plum, vom Roten und Grünen Zebra sowie – nicht zu vergessen – von Waldviertler Kipflern und anderen regionalen Schätzen. In der Ökolandbaubewegung war es seit jeher klar: Ökologischer Pflanzenbau muss mit samenfesten Sorten betrieben werden, die genetisch stabil sind und gesundes Saatgut hervorbringen, aus dem auch in nächster Generation wieder Nachkommen mit ähnlichen Ertragsleistungen und vergleichbaren Eigenschaften gezogen werden können. Der samenfeste Pflanzentypus steht in einem jahrtausendealten Entwicklungsstrom und ist von kulturhistorischer ebenso wie von agrarökologischer Bedeutung. Die alten Kulturpflanzensorten wurden durch die beständige Arbeit von Menschengenerationen verschiedenster Völker hervorgebracht und bis heute unter traditionellen Zuchtmethoden weiterentwickelt. Erfahrene Bauern ebenso wie Gelehrte hatten ihren historischen Teil an diesem Prozess. Eine künstlerische Darstellung des Aktes der Pflanzenzucht zeigt Priester des assyrischen Königs Hammurabi bei der Bestäubung von Dattelpalmen in Handarbeit und ist etwa 4000 Jahre alt.
Bei den samenfesten Kultursorten handelt es sich um robuste Pflanzen, die an verschiedenste Standorte angepasst sind. Genau diese Eigenschaft macht sie so interessant für biologisch wirtschaftende Bäuerinnen und Bauern. Während das Saatgut von Hybridsorten jedes Jahr aufs Neue bei einem Agrarkonzern gekauft werden muss, verfügen samenfeste Sorten über die Fähigkeit, gesunde Nachkommen hervorzubringen. Über Jahre hinweg können sie sich so auch an neue Standorte anpassen. Sie sind, ganz im Gegensatz zu Hochleistungszüchtungen, zur biologischen Adaption fähig. Viele Vertreter des Ökolandbaus, so etwa der französische Agrarforscher Claude Aubert, haben die betriebseigene Vermehrung unter alljährlicher Selektion sogar explizit gefordert. 77 Auf diese Weise könne man eine regionale Vielzahl an »neuen alten« Kulturpflanzensorten mit optimaler ökologischer Standortpassung hervorbringen. Solche Regionalzüchtungen entwickeln mit der Zeit Toleranz gegenüber standortspezifischen Krankheitserregern. Der Geschmack alter, samenfester Sorten ist mit jenem von Hybriden nicht vergleichbar: Tomaten, die in Tausenden von sortentypischen Nuancen nach »Tomate« schmecken; Äpfel von ungewohnter Note; und Auberginen, die viele Konsumenten gar nicht mehr als solche erkennen. Der Agrarwissenschaftler Claude Aubert schrieb 1977 in seinem Buch »L’Agriculture biologique«, das unter dem Titel »Organischer Landbau« 1981 auf Deutsch erschien: »Züchtung einzig im Hinblick auf ökonomische oder politische Ziele widerspricht den biologischen Gesetzen und somit dem Ökolandbau.« 78 Doch auch dieser Vorsatz hat sich in den Neunzigern, mit dem Einzug konventioneller Tendenzen in die biologische Landwirtschaft, offenbar verflüchtigt.
Die biologisch-kulturelle Vielfalt alter Auberginen-Sorten
Hybridsorten: Auf dem österreichischen Bio-Massenmarkt kommen sie vorwiegend von Saatgutkonzernen aus den Niederlanden, manche auch aus Deutschland. Sie bestechen durch hohe Erträge sowie gleichförmige und robuste Früchte, die den größten Strapazen konventioneller Lebensmittellogistik widerstehen: Fließbänder, maschinelle Sortierung, Verpackung durch Roboter, LKW-Transporte je nach Weltwirtschaftslage, Verschiffung, Flüge um den halben Globus, Zentral- und Zwischenlagerung. Die Gemüse- und Obstsorten des Bio-Massenmarktes sind sogenannte »Long-Shelf-Life-Sorten«, sind also für das »lange Leben im Regal« bestimmt. Sie sind designt nach den
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