Der große Bio-Schmaeh
den Niederlanden. Dieses Unternehmen gehört jetzt, wie viele andere, zum Monsanto-Imperium. Nach der Übernahme strich der Saatgutriese zunächst alle Sorten von De Ruyter aus dem Programm, deren Anteile am jährlichen Umsatz nicht mindestens über einer bestimmten Grenze lagen – eine übliche Praxis in der Biotech-Branche. Biologisches Saatgut kommt dem Multikonzern erst gar nicht in die Tüte. Das hindert die österreichische Bio-Industrie aber nicht daran, neben Bio-Hybridsaaten auch konventionelles Monsanto-Saatgut zu beziehen. Das Gesetz geht mit den Wachstumstendenzen des Bio-Massenmarktes äußerst wohlwollend um: Wenn eine bestimmte Sorte, die ein Produzent anbauen möchte, als biologisches Saatgut nicht erhältlich ist, so kann freizügig und ohne Angabe von Gründen auf konventionelle Samen zurückgegriffen werden. »Unsere Hybridtomate ›Philo Vita‹ ist also jetzt eine Monsanto-Sorte«, erklärte mir der Tomaten- und Paprikabauer in der Steiermark. Aber bio sei das Saatgut ohnedies nie gewesen. Ob ihn das nicht störe, fragte ich. Dann kam die übliche Antwort: Er habe keine andere Wahl. Und wenn er nicht auf ertragreiche Laborsorten zurückgreife, könne er in der Liga der österreichischen Supermärkte und ihrer Bio-Marken nicht mitspielen. »Aber was halten Sie von solchen Tomatensorten?«, bohrte ich nach. »Als Gemüsebauer muss ich sagen: Diese Hochleistungshybriden sind eigentlich keine Sorten.« Und er hatte, auch aus pflanzenbiologischer Sicht, recht. Eine Hybride ist ein biologisch degenerierter Nachkomme von Elternpflanzen, die sich unter natürlichen Bedingungen nicht miteinander hätten kreuzen können. Hybriden sind Produkte der Argrar-Industrie. Je mehr wir auf hochgezüchtete Leistungsrassen zurückgreifen, desto stärker setzen wir die genetischen Reserven der Sortenvielfalt aufs Spiel, die seit Jahrtausenden das Überleben der Menschheit sichert. Das wusste auch der Bio-Gemüsegroßproduzent: »Man staunt, aus wie wenigen Sorten wir inzwischen wählen können«, sagte er. Dieses Risiko des fortschreitenden Sortenschwundes erst gar nicht einzugehen, ist eine Grundforderung der Ökolandbaubewegung.
Das Pflanzenreich der Erde
Pflanzenarten der Erde
400.000
höhere Pflanzen (mit Blüten und Samen)
270.000
essbare Wildpflanzen
75.000
Kulturpflanzen
4.800
Kulturpflanzen im engeren Sinne (»Ackerpflanzen«)
750
Davon weist jede Art wiederum mehrere, oft Hunderte oder Tausende Sorten auf!
Hauptarten des weltweiten Marktes
20
Der Ackerbau brachte in seiner zehntausend Jahre langen Geschichte viele Hundert Arten und eine schier unzählbare Vielfalt an Sorten hervor. Heute decken wir mit nur mehr zwanzig Arten neunzig Prozent des weltweiten Bedarfs an pflanzlichen Nahrungsmitteln.
Übersicht Pflanzenreich
Gerade weil sich alte Sorten aber inzwischen in der Öffentlichkeit wieder steigender Bekanntheit erfreuen und sich ihre ernährungs- und agrarökologische Bedeutung herumgesprochen hat, eignen sie sich für Bio-Konzerne der konventionellen Lebensmittelbranche vorzüglich zur Imagepflege. Ein Blick in die Supermarktfilialen zeigt: Die meisten Bio-Marken haben bereits – in äußerst begrenztem Umfang – alte Tomaten- und manchmal sogar Kartoffel- und Paprikasorten im Programm. Doch sind die Goliaths der Lebensmittelbranche wirklich als Erhalter der Kulturpflanzenvielfalt geeignet? Immerhin wimmelt es in den Bio-Gemüse- und Bio-Obstregalen der Supermärkte nur so vor leistungsstarken Hybridsorten. Nur ein verschwindend kleiner Anteil der Ware kann unter die Kategorien »alte oder samenfeste Sorten« eingereiht werden.
Ich besuchte den größten Fruchtgemüseproduzenten einer österreichischen Bio TM -Marke, die sich in der Öffentlichkeit redlich um das Prädikat »Vielfaltschützer« bemüht. Doch die Angaben des einen und einzigen Produzenten für die alten Tomatensorten des Konzerns waren mehr als ernüchternd. »Und konnten Sie bisher mit alten Sorten Gewinne erzielen?«, wollte ich wissen. Der Gemüsehersteller lachte. »Nein«, sagte er. »Das ist eher ein Hobby für nebenbei.« Er habe in den vergangenen Jahren mit dem Anbau dieser alten Sorten nichts verdient, sondern sei hart an der Verlustgrenze entlanggeschlittert. Er, als einer der größten Bio-Gemüseproduzenten Österreichs, mache sein Geschäft fast ausschließlich über die Hybridsorten, die dann – wie im Exklusivvertrag festgehalten – in den Regalen seines Auftraggebers landen. »Die Supermärkte sind also aufgrund
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