Der große Blowjob (German Edition)
vielleicht sogar umarmen, nachdem sie mir gerade einen so privaten Einblick in ihr Leben gewährt hat? Ich weiß wirklich nicht, was ich tun oder sagen soll, und auf einmal kommt mir der Gedanke, wie praktisch es wäre, jetzt eine Fernbedienung zu haben, mit der ich Juliette auf Pause schalten könnte, um die Personaltante um Rat zu fragen: Welches Verhalten wäre Juliette gegenüber jetzt angemessen, gespielte Vertraulichkeit oder die ruhige, umsichtige Stärke einer wahren Führungspersönlichkeit. Also ein fester Händedruck, bei dem ich ihr in die Augen sehe und sage, so von Mensch zu Mensch: Ich bin ein Arschloch und habe es verdient zu sterben, das weiß ich jetzt, oder etwas in dieser Richtung. Wie geht das überhaupt, was ist die richtige Form, um einen wirklichen Unterschied zu machen? Wie verhält man sich richtig, im Angesicht eines menschlichen Gesichts? Ehe ich aber eine Entscheidung treffen kann, wie ich mich nun konkret verhalten soll, ergreift sie noch einmal das Wort.
«Eric», sagt sie. «Ich habe eine Bitte an Sie.»
«Ja, ich höre», sage ich.
«Werfen Sie mich nicht raus.»
Damit habe ich nun überhaupt nicht gerechnet.
«Ohne diesen Job stehe ich wirklich vor dem Nichts», fährt sie fort. «Was soll ich meiner Schwester oder ihrem Sohn erzählen?»
«Es tut mir aufrichtig leid», sage ich.
«Wenn es so wäre, würden Sie das nicht tun.»
Ich werfe der Personaltante einen Was-können-wir-machen-Blick zu. Doch sie schaut nicht zu mir her. Ich wende mich wieder Juliette zu.
«Mir sind die Hände gebunden, ich kann nichts für Sie tun», sage ich. «Es ist nun mal, wie es ist.»
«Ich habe eine Idee», sagt Juliette, sie wirkt fast fröhlich dabei, einfallsreich war sie schon immer. «Ich verdiene sehr gut, Sie können mir das Gehalt kürzen. Um die Hälfte, damit bin ich einverstanden. Ist das nicht Ihre Aufgabe, die Personalkosten zu halbieren? Das wird jedenfalls gemunkelt. Von mir aus auch um sechzig Prozent, ist mir recht. Bitte. Denken Sie darüber nach?»
Lähmende Stille senkt sich herab. Die Personaltante sieht mich an, es ist klar, dass ich irgendetwas sagen soll, aber ich weiß nicht, was. Am liebsten würde ich sagen: Gut, ich nehme Ihr Angebot an, wir kürzen Ihr Gehalt um die Hälfte, das ist vernünftig und sinnvoll, immerhin verdienen Sie mehr als doppelt so viel wie andere auf Ihrem Level, ich wüsste also nicht, wieso das nicht … Aber die Personaltante würde mir sicher ins Wort fallen und mich daran erinnern, dass ich nicht befugt bin, Juliettes Angebot anzunehmen oder ein Gegenangebot zu machen, tatsächlich habe ich nämlich so gut wie gar keine Befugnisse.
Inzwischen sieht Juliette mich an, wie man vielleicht unmittelbar nach einem Unfall seinen Beifahrer im Auto ansehen würde, wenn alles wie in Zeitlupe abzulaufen scheint, aber man zumindest schon mal feststellt, dass man selbst und die andere Person noch am Leben ist, ohne dass man jedoch schon wüsste, ob man verletzt ist.
«Juliette, es tut mir leid, Eric kann ein solches Angebot nicht annehmen, dazu ist er derzeit nicht befugt», sagt die Personaltante nun.
«Warum nicht?», fragt Juliette. «Er ist der Executive Creative Director.»
«Ja, aber solche Fälle müssten auf Unternehmensebene geprüft und auch von dort aus genehmigt werden!»
«Gut, in Ordnung, dann gehe ich jetzt an meinen Platz zurück, und Sie geben mir Bescheid, wenn die Genehmigung da ist», sagt Juliette.
«Unternehmensebene, wer soll das sein?», frage ich die Personaltante. «Sind wir nicht Unternehmensebene?»
Dann sehe ich sie kopfschüttelnd mit diesem Scheiße-was-machen-wir-hier-bloß-Blick an, aber sie tippt bereits auf ihrem BlackBerry herum, um jemanden anzurufen. Die Unternehmensebene, nehme ich mal an. Juliette und ich sitzen da, sehen sie an und warten, aber am anderen Ende geht niemand ran.
Als sie sich uns wieder zuwendet, hat sie Tränen in den Augen.
«Ich rede von der Holdinggesellschaft!», sagt sie. «In Großbritannien! Die treffen diese Entscheidungen. Bitte. Wir haben da kein Mitspracherecht! Die prüfen ganz nüchtern, Gehalt gegen beim Kunden verrechnete Stunden im Verhältnis zum Zuständigkeitsbereich, bestimmen daraus, wer nicht rentabel genug ist, und stellen ihre Abschussliste zusammen. Juliette, wir persönlich haben damit nichts zu tun, bitte verstehen Sie das!»
«Wie kann das nichts mit Ihnen zu tun haben?», sagt sie. «Sie nehmen doch die Entlassungen vor.»
«Weil wir müssen!», sagt die
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