Der große Blowjob (German Edition)
Stockwerke über einem ägyptischen Ramschladen befindet, in dem es Souvenirs und billige Reisetaschen gibt, vermutlich bloß eine Fassade für ganz andere Geschäfte, Schwarzmarkt-Nieren oder gefälschte Papiere vielleicht. In den knapp zwei Jahren, seit ich bei Tate arbeite, war mir einiges an folkloristischen Sagen über den Gründer der Agentur zu Ohren gekommen. Windham Tate (richtiger Name: Howard V. Fatt) muss zu seiner Zeit, in den Sechzigern und Siebzigern, ein ziemlicher Schürzenjäger, so nannte man das damals wohl, gewesen sein: Angeblich war keine junge Sekretärin in dem Laden vor ihm sicher, er hat sie alle flachgelegt. Es soll einen geheimen Sonderetat gegeben haben, um sie finanziell abzufinden, wenn sie ihn vor Gericht schleifen oder ihm sonst wie Schwierigkeiten machen wollten. Und dass er sogar einen bestochenen Arzt an der Hand hatte, der die jungen Frauen im Zweifelsfall für labil erklärte. Jetzt begreife ich, was gespielt wird: Barry hat mich zu seinem Mann für besondere Fälle geschickt. Ich steige die Treppe hoch & versuche mein Glück an der Tür, die aber abgeschlossen ist, woraus ich schlussfolgere, dass Dr. Look hier tatsächlich nicht mehr praktiziert. Falls er überhaupt je hier tätig war, falls es ihn überhaupt je gegeben hat. Gut möglich, dass das hier eine Art Scherz ist, den wohl nur Barry lustig findet. Dann fällt mein Blick auf eine halb aus der Wand gerissene Klingel, an der mit Klebeband eine Visitenkarte befestigt ist, die gleiche wie die in meiner Hand, bloß schmutzig und zerfleddert. Ich drücke auf den Klingelknopf, doch es bleibt still. Ob die Klingel wohl nicht funktioniert hat? Als ich gerade gehen will, öffnet sich die Tür. Vor mir steht ein junger Mann mit Kinnbärtchen, etwa Mitte zwanzig. Er sieht mich merkwürdig an und schüttelt den Kopf, als würde irgendwas nicht stimmen.
«Entschuldigung, ich dachte, Sie wären der Paketbote, auf den warte ich nämlich, aber der sind Sie nicht, oder?»
«Nein», sage ich, «ich bin nicht der Paketbote.»
«Seit drei Tagen warte ich jetzt auf Unterlagen von einer Konferenz, an der ich teilgenommen habe, so langsam glaube ich, die haben die einfach in den Fluss geworfen.»
«Ich wollte eigentlich zu Dr. Look», sage ich.
«Dr. Look bin ich, was kann ich für Sie tun?»
«Meine Firma hat mich hergeschickt, Tate? Ich soll einen Dr. Look aufsuchen, und das sind dann wohl Sie.»
«Oh, selbstverständlich, kommen Sie rein.» Dr. Look reicht mir die Hand, und ich denke, dass er gar nicht alt genug für ein komplettes Medizinstudium sein kann, es sei denn, er wäre ein Wunderkind, was er ja vielleicht auch ist. Es ist keine Praxis, wie man sie erwarten würde, sondern bloß eine alte, unrenovierte Wohnung, die noch nicht zu einer Fahrschule, Wirtschaftsprüfungskanzlei oder dergleichen umfunktioniert worden ist wie die übrigen alten Wohnungen hier in der Gegend. «Nehmen Sie Platz», sagt er und zeigt auf eine alte schwarze Couch, deren Bezug notdürftig mit Isolierband geflickt ist. Ich lasse mich ganz vorne auf der Kante nieder und sehe zu, wie er an einer mit Aktenschränken vollgestellten Wand Schubladen aufzieht und wieder schließt. An der anderen Wand hängt lediglich eine Uhr, eine dieser Plastikuhren in Gestalt einer Katze, bei der sich die Augen hin- und herbewegen und der Schwanz alle halbe Stunde hoch- und runterklappt. Schließlich findet er, wonach er gesucht hat, ein Blatt Papier, und dreht sich zu mir um. «Da haben wir es.»
«Was genau?»
«Das Formular.» Er nimmt das Blatt, setzt sich an einen alten Schreibtisch und fahndet nach einem Stift. Nachdem er einen gefunden hat, kritzelt er etwas auf den Bogen Papier, setzt zum Schluss noch seine Unterschrift drunter und steht auf.
«So, erledigt.»
«Was ist erledigt?»
«Der Papierkram.»
Er kommt hinter dem Schreibtisch hervor, hält mir das Formular hin, ich nehme es und schaue es mir an.
«Was ist das?», frage ich.
«Sie haben mich aufgesucht, wir haben uns eingehend unterhalten, ich habe Sie einer gründlichen psychologischen Begutachtung unterzogen und anschließend als gesund eingestuft», erklärt er. Dass es hier in New York solche betrügerischen Ärzte gab, hatte ich schon gehört. Ihre Hauptkundschaft waren Schauspieler, die einen Drogentest für ihre Filmverträge brauchten. Ich betrachte erneut das Formular.
«Geistig gesund, meinen Sie? Woher wollen Sie wissen, ob ich geistig gesund bin, ohne überhaupt mit mir gesprochen
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