Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der große Blowjob (German Edition)

Der große Blowjob (German Edition)

Titel: Der große Blowjob (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Mattei
Vom Netzwerk:
Personalerin.
    «Sie müssen?»
    «Ja. Denn wenn wir uns weigern, fliegen wir selbst raus», sagt sie. «Bitte, das müssen Sie verstehen.»
    «Und außerdem, nicht zu vergessen, würden wir unseren Bonus nicht bekommen», sage ich. Der Personaltante klappt die Kinnlade runter, und sie funkelt mich an.
    «Das ist Vertragsbruch, Eric», sagt sie. «Sie können nicht bleiben, gehen Sie, auf der Stelle. Juliette, der Beschluss, Sie freizustellen, steht seit Monaten fest, daran ist nicht mehr zu rütteln. Bitte, bitte verstehen Sie das. Wir sind da völlig machtlos.» Und dann wendet sie sich wieder mir zu. «Bitte gehen Sie.»
    Aber ich sitze einfach nur da wie gelähmt.
    Juliette wendet sich mir zu und sieht mich an, und ich lasse meine Gesichtsmuskeln erschlaffen, um ihr die tiefe Melancholie zu vermitteln, die mich gerade erfüllt. Klar, die Personaltante hat natürlich vollkommen recht, wenn ich Juliette jetzt eigenmächtig irgendwelche Versprechungen machen und sie mit neuer Hoffnung an ihren Arbeitsplatz zurückschicken würde, wäre das nicht nur egoistisch, sondern vor allem völlig unredlich, ein bloßer Aufschub des Unvermeidlichen. Denn jeden meiner Einwände würde die Holding todsicher abschmettern, und dann müsste sie dieses erniedrigende Ritual noch einmal über sich ergehen lassen. All das versuche ich ihr durch einen einzigen resignierten Blick zu vermitteln, und Juliette, das spricht für sie, versteht mich sogar. Sie begreift, dass es jetzt tatsächlich unwiderruflich passiert, und fängt an zu weinen. Weint erst nur still in sich hinein und bricht dann in Schluchzen aus, ein Schluchzen, das ganz tief aus ihrem Inneren aufsteigt, von einem Ort, von dessen Existenz sie vermutlich bislang selbst nichts ahnte. Von einem unerforschten Untergeschoss ihrer Psyche, in dem diese Ängste so lange eingeschlossen waren, dass sie jetzt, als sie an die Oberfläche steigen, riesig und übermächtig sind. Sie schnappt so krampfhaft nach Luft, dass es aussieht, als würde sie ertrinken. Am liebsten würde ich irgendetwas Tröstliches sagen, doch dazu scheint es nun zu spät, es würde nur heuchlerisch klingen. Also schaue ich aus dem Fenster. Die Personaltante steckt ihr BlackBerry ein und beugt sich vor, streckt die Hand nach Juliette aus, die schließlich auf ihrem von einer schwarzen Strumpfhose verhüllten Knie landet. Dann endlich sehen wir uns an, und die Personaltante zuckt leicht mit den Schultern, fragt mich mit ihrem Blick: Was soll ich jetzt tun? Ich gebe ihr Schulterzucken ebenso ratlos zurück, und so sitzen wir da und teilen unser Unbehagen, oder vielmehr das Unbehagen der Personaltante, weil ich mittlerweile offen gesagt zu betäubt durch meine momentane Betäubung bin, um so etwas wie Unbehagen zu empfinden. Das hier ist bloß etwas, was uns passiert, uns allen. Dann steht die Personaltante auf und geht hinaus, um Damon und Terry zu holen, und ich bin kurz mit Juliette allein. Sie hat ihren Laptop inzwischen losgelassen – er ist auf den Boden gefallen – und hält die Armlehnen ihres Stuhls umklammert. Keine Ahnung, wie lange ich so dasitze und bemüht bin, das Geschehen auszublenden, indem ich darüber nachdenke, was ich heute noch alles erledigen muss. Zum Beispiel mich darum kümmern, wo es in L. A. einen Prius zu mieten gibt und mir im Shutters ein Nichtraucherzimmer mit Strandblick buchen, bis endlich die beiden behäbigen Afroamerikaner ins Büro kommen, Juliettes panisch verkrampfte Hände von den Armlehnen abpflücken und ihr vom Stuhl aufhelfen. Langsam und geduldig, denn sie ist etwas wackelig auf den Beinen, begleiten sie sie hinaus, um sie zu den Aufzügen zu bringen. Draußen reicht meine Assistentin der noch immer schluchzenden Juliette deren Jacke, die sie in der Zwischenzeit aus ihrer Arbeitsnische geholt hat, und umarmt sie noch einmal. Dann biegen die drei um die Ecke im Flur und sind nicht mehr zu sehen.
     
    Dr. Looks Praxis befindet sich in einem schäbigen, zwei Blocks langen Abschnitt der Lexington Avenue, gleich nördlich vom ehemaligen Citicorpse Center. In diesem Teil von Midtown stehen ansonsten ausschließlich Wolkenkratzer, glitzernde Tempel der Hybris, gewidmet dem Kult des illegal erworbenen Reichtums. Hier aber muss irgendetwas gründlich schiefgelaufen sein, denn dieser Abschnitt wurde nie richtig erschlossen. Bei der Adresse angekommen, die Barry mir aufgedrängt hat, stelle ich fest, dass Dr. Looks Praxis, die unter dem Namen Midtown Health firmiert, sich zwei

Weitere Kostenlose Bücher