Der große Blowjob (German Edition)

fragt der Rotschopf.
    «Na, diese kleine Siedlung mit diesen wirklich coolen Fünfziger-Jahre-Häusern, aber modern?»
    «Und wo soll das sein?»
    «Ich glaube, gleich hinter Cloverfield?»
    «Cloverfield? Ich dachte, das ist ein Film?»
    «Das ist eine Straße?»
    «Wirklich?»
    «Ich glaube schon?»
    An dieser Stelle gehe ich raus. Es dauert zwar ein paar Minuten, bis ich zu Fuß am Venice Boulevard bin und ein Taxi auftreibe, aber es gelingt mir. Der Fahrer hat keine Ahnung, wo Mar Vista ist, und er weiß auch nicht, wo Cloverfield ist, aber er hat ein Navi, also geben wir die Koordinaten ein, und er fährt los. Es ist noch nicht einmal ansatzweise in der Nähe von Cloverfield. Einmal vertut sich das Navi mit der Richtung einer Einbahnstraße, und wir müssen eine Runde um den ganzen Block drehen, aber das ist kein Ding. Dass die Fahrt länger dauert als nötig, stört mich nicht, weil ich so in alle Richtungen Ausschau halten kann, ob ich nicht ein nacktes Mädchen mit einem Shutters-Badelaken entdecke.
    Als ich zu der Location komme, ist der Dreh in vollem Gang. Klassischer Hip-Hop (
Gunz Come Out
von 50  Cent) dringt aus dem Haus, ein bescheidener Bau aus den frühen Sechzigern mit einer kleinen Betonplatten-Auffahrt zum Parken und einem geschwungenen Dach. Es ist die Art von Haus, die man sich damals gekauft hat, wenn man sich kein richtiges Haus leisten konnte, und heute werden die Dinger für zwei Komma fünf Millionen vertickt. Ich komme an einigen Typen von der Crew vorbei, die gerade eine Couch aus der Haustür tragen, und, über Kabel hinwegsteigend, an noch einem Typen, der Leuchtenstative zu dem Kasten- LKW trägt. Als ich drinnen zum Set komme, sehe ich eine Schauspielerin, Mitte dreißig, glattes braunes Haar, Ponyfrisur, attraktiv, ohne hübsch zu sein, oder sagt man hübsch, ohne heiß zu sein? Und ich weiß sofort, dass das unsere Abby ist. Hätte ich mit dem Casting was zu tun gehabt, wäre sie vielleicht nicht ganz so übertrieben munter gewesen, so anbiedernd muttihaft, aber was macht das jetzt für einen Unterschied. Als die Kamera läuft, tanzt Abby total lächerlich zu dem 50 -Cent-Track herum, mit nach oben gerecktem Gesicht, und ich kapiere sofort, dass das Psyks Version des Spots ist. Statt des raschen kurzen Einatmens und eines Lächelns, über das die Kreativen in den letzten sechs Monaten endlos mit den Kunden debattiert haben (Ist es ein Lächeln der Freude? Ist es ein Lächeln der Befriedigung? Ist es ein Lächeln voller Hausfrauenstolz?), hat er entschieden, dass Abby den herrlichen neuen Geruch, für den Glade Märchenduft gesorgt hat, richtig fett
feiern
soll. Es ist genial. Der Duft ist wie ein Orgasmus, der Orgasmus, den sie mit ihrem arbeitslosen Mann nie erlebt hat, und auch nicht mit dem Nachbarn, den sie gelegentlich in dessen Auto vögelt, bloß jetzt nicht mehr, sie hat ein zu schlechtes Gewissen, und sie würde sich auch nie einen Vibrator kaufen, was, wenn Eddy den fände?, usw. Und so wird aus Glade Märchenduft so viel mehr als der Beleg dafür, dass sie eine gute Mutter ist. Er ist etwas, mit dem sie sich verwöhnt, hinter verschlossenen Türen. Der Duft entführt sie in eine virtuelle Welt, die nur ihr gehört, eine Welt, von der niemand weiß, ihre eigene samtige Welt der Selbstbelohnung.
    GLADE MÄRCHENDUFT IST EIN GESCHENK , DAS SIE SICH SELBST MACHEN !
    Ich sehe mich in dem Raum um, sehe jedes einzelne Mitglied der Crew an, die Agenturproduzenten, die Kreativen, die Kunden von Unilever, die Hausbesitzer, die fünfzehn Riesen pro Tag dafür bekommen, dass sie ihr Haus für den Dreh zur Verfügung stellen. Keiner von ihnen ist sie.
    Scheiße, wo ist sie denn hin?
    Die Musik hört auf, und ein dicklicher, haariger weißer Typ in einem Asics-Trainingsanzug und mit einer seitwärts aufgesetzten Oakland-Athletics-Basecap mit flachem Schirm springt auf und fängt an zu klatschen und rumzuschreien wie ein Blöder. Das ist Psyk selbst, und er ist mit dem Take superzufrieden. Abby ihrerseits wirkt erschöpft und gedemütigt. Man erkennt die richtigen Schauspielerinnen immer sofort. Die lächeln während eines Drehs die ganze Zeit, denn wenn sie es nicht täten, würden sie einen Wutanfall bekommen. Wohingegen die Nicht-Professionellen tatsächlich ihren Spaß haben. Ich gehe rüber zum Video Village, wo die Kreativen und Tom Bridge auf Regiestühlen zusammensitzen.
    «Hey, Leute», sage ich. Tom sieht mich an und dann wieder auf die Monitore.
    «Hast du es doch noch