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Der große deutsche Märchenschatz

Der große deutsche Märchenschatz

Titel: Der große deutsche Märchenschatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaconda
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jetzt viel schöner; denn ein Kranz von goldenen Schuppen, die wie Abendgold und Abendröte glänzten, warf über ihr Antlitz einen wunderbaren Schönheitszauber, sodass der Putz aller übrigen dagegen matt und wässerig erschien.
    Aller Blicke richteten sich auf die stolze Erscheinung, und kaum hatten die Richter sie wahrgenommen, als sie die Köpfe zusammensteckten und ihre Mienen plötzlich die größte Übereinstimmung verrieten.
    Nun stieg eine rote Rakete in die Luft, zum Zeichen, dass diejenige als künftige Königin begrüßt werden sollte, die man dazu für würdig befunden. Eine Deputation der Richter erhob sich, Trabanten und Herolde schlossen sich an, und ihnen folgte ein Page, der eine kleine goldene Krone auf einem Kissen vor sich hertrug. Der Zug bewegte sich geradewegs zu derjenigen hin, die zuletzt angekommen. Triumphierend erhob sich die übermütige Jungfrau von ihrem Sitze, ihre Blicke schienen alles um sich her, wie der Hagel die Wiesenblumen, niederzuschmettern, und schon begann der Präsident des Gerichtes der Schönheit und des Reichtums eine zierliche Anrede in Versen, worin er die hohen Eigenschaften der Erwählten pries.
    Der Page kniete nieder und hielt die Krone empor, gierig streckte die Jungfrau die Hände danach aus. – Da erbrauste auf einmal ein ungeheurer Wirbelwind mit solcher Gewalt, dass die Krone vom Kissen geweht wurde und alle Lampen und Fackeln ringsumher erloschen. Nur die erleuchteten Fenster des Schlosses ergossen noch einen matten Schimmer über den Platz. Sogleich aber legte sich auch der Wirbelwind, und alles war still wie zuvor.
    Auch der Lorbeerbusch, der Elsbeth bisher verdeckt hatte, war vom Sturm niedergerissen. Allen sichtbar stand nun das Fischermädchen da, in ihrem leuchtenden Sternenkranz, umweht von den Schleiern, in denen die Tauperlen als Edelsteine funkelten; und in dem Glanze dieser reinen Lichter erschien ihr unschuldiges Angesicht wunderbar verklärt.
    Das Krachen des umstürzenden Baumes hatte die Blicke der Menge nach dem Hügel hingelenkt. Ein lautes »Ah!« der Verwunderung unterbrach die Stille. Darauf rief alles, Volk und Richter, wie mit einem Munde: »Seht! seht! Da steht die schönste und reichste Jungfrau der Welt! Da steht unsere zukünftige Königin, sie lebe hoch!« Und es schmetterten die Trompeten, Kanonen wurden gelöst, Raketen und Mützen flogen in die Luft, und der Jubel des Volkes wollte kein Ende nehmen.
    Wie aber der junge Königssohn in hohen Freuden von seinem Thron sich erhob, um die ihm erwählte Braut zu begrüßen, und als er vorbeischritt an der Jungfrau, deren Stolz soeben gedemütigt worden, da riss diese den goldenen Schuppenkranz aus ihrem Haar, warf ihn dem Prinzen vor die Füße und sprach: »Nimm hin dein Eigentum, ich fühl’s, mein Reich und mein Leben geht zu Ende, mein Stolz ist besiegt; denn der Geist, der jenes Kind dir zuführte, ist mächtiger als ich.«
    Sie winkte. Die Kristallkutsche rollte vor, die Wasserfee bestieg sie und versank mit ihr in den Boden. An der Stelle, wo sie versunken war, rauschte alsbald ein Brunnen mit unheimlichem Gemurmel durch das Gras.
    Und wie die Fee es gesagt hatte, so war es auch. Ein mächtiger Zauberer hatte schon lange unsichtbar die Geschicke des Königssohnes gelenkt. Er war auch der graue Kranich und das graue Männlein gewesen und führte dem Prinzen eine Braut zu, die allein seiner würdig war. Zwar war der Wunderschmuck, den er ihr durch seine Waldgeister beschert hatte, von seltener Pracht, aber ihr größter Reichtum war die Unschuld und die Treue ihres Herzens, und eben diese Unschuld und diese Treue verliehen ihrem Angesicht eine Schönheit, die keine der anderen Jungfrauen aufzuweisen hatte und die ihr alle Gemüter gewann.
    Mit der Einwilligung ihres Vaters, dem das graue Männlein alsbald sein Augenlicht wiedergab, ward Elsbeth die glückliche Frau des jungen Königssohns, und als dieser nach dem Tode seines Vaters König wurde, regierten beide unter dem Schutze des guten Zaubergeistes, der sie auch ferner durch Rat und Tat unterstützte, ihr Land mit solcher Weisheit, dass ihr Volk sie segnete für alle Zeiten.

Die Wurzelprinzessin
Erstes Kapitel
    Von dem Wurzeltal und seinen Bewohnern. – Die erzählenden
    Gäste. – Der Wurzelkönig und seine neugierige Tochter
. –
    Die Luftkutsche. – Die

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