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Der große deutsche Märchenschatz

Der große deutsche Märchenschatz

Titel: Der große deutsche Märchenschatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaconda
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der es hat, gern verlieren mag.
    Das Männlein sah, wie dem Mädchen ganz leise ein Tränlein über die Wange rollte. »Elsbeth«, sprach er, »noch ist es Zeit. Wenn du willst, kehren wir um, und ich bring dich wieder zu deiner Hütte! Dann behältst du dein Haar und deine Zähne und all den Schmuck, den du jetzt an dir hast. – Aber dein Vater bleibt dann freilich blind!« – »Nein«, rief Elsbeth, »nimm mir alles, nimm mir mein Leben, nur mache meinen Vater wieder gesund!« Schon hob sie wieder die Hand, um den seltenen Putz von sich abzustreifen, aber der Kleine ließ es nicht zu, und nur mit Mühe gelang es ihm, sie zu beruhigen.
    Indes waren sie auf dem Fluss bis in die Hauptstadt und in die königlichen Gärten hineingekommen, wo eben mit großer Festlichkeit die Hochzeitswahl einer Prinzessin gefeiert wurde. Hoch über ihren Köpfen sah Elsbeth den Widerschein der Fackeln und Feuerbecken, sie hörte Klänge einer rauschenden Musik und das Gesumme einer großen Volksmenge, aber die hohen Mauern, zwischen denen der Fluss hinführte, ließen sie nichts von dem Feste selbst wahrnehmen.
    Endlich landeten sie an einem Hügel. Sie traten aus der Gondel und bestiegen den Gipfel des Hügels, der von einer dichten Lorbeerhecke umgeben war. Dort oben bog das Männlein einen Lorbeerzweig zurück und sprach zu dem Mädchen: »Hier schau hinunter!« – Da sah Elsbeth dicht vor ihren Füßen ein Schauspiel der Pracht und Herrlichkeit, wie sie es nie zuvor geträumt hatte.
5.
    Nun hört, was Elsbeth da alles erblickte.
    Im Hintergrunde ragte mit seinen Türmen und Zinnen und mit seinen hell erleuchteten Fenstern das königliche Schloss hoch in die Mondnacht hinein. Vor dem Schlosse war eine lange, breite Terrasse, darauf standen unter einem Thronhimmel zwei Lehnstühle von weißem Samt, gerade wie sie Elsbeth im See des Zauberwaldes gesehen hatte. Einer dieser Stühle war leer, aber auf dem anderen saß der schöne junge Königssohn und hinter ihm der König, sein Vater, und der ganze königliche Hofstaat. Diesen gegenüber stand eine Reihe von wohl hundert rotseidenen Sesseln, darauf saßen die Jungfrauen, die zur Wahl sich herbegeben hatten, mit allem Reichtume der Erde behangen und umwickelt und umflittert. Dann war auf der einen Seite ein himmelblaues Gerüst, auf dem die ersten Maler und Bankiers des Landes versammelt waren, damit sie als Richter der Schönheit und des Reichtums ihr Amt verwalteten. Ihnen aber gegenüber auf einem orangefarbenen Gerüste bliesen die Posaunenbläser, paukten die Trommler und strichen die Geiger ihre Instrumente, dass es eine Lust anzusehen und anzuhören war.
    Rechts und links von dieser Terrasse spritzten herrliche Springbrunnen roten und weißen Wein hoch in die Luft, und um die Brunnen standen gedeckte Tafeln, die waren mit den köstlichsten Speisen bedeckt. In großem Halbkreise auf der Wiese, die das Schloss umgab, lagerte das Volk unter Gehängen von farbigen Laternen, die an den Lorbeerbäumen befestigt waren.
    Den ganzen Nachmittag hatten nun schon die Richter beraten, welche von den angekommenen Jungfrauen wert sei, die Frau des jungen Prinzen zu werden, und da hatte es wie gewöhnlich viel Streit gegeben. Die Maler verstanden nicht den Reichtum zu beurteilen, die Bankiers hatten mitunter ganz verkehrte Ansichten von der Schönheit. – Jetzt aber war die Stunde gekommen, wo sie die letzte Entscheidung aussprechen sollten. Noch einmal setzten sie daher ihre Brillen auf die Nasen und legten ihre Perspektive an die Augen, um noch die letzte Prüfung auch bei Lampenbeleuchtung anzustellen; denn der Schicklichkeit wegen durften sie die Jungfrauen nicht zu nahe betrachten. Da blies plötzlich von der Zinne der Burg der Türmer; dies war ein Zeichen, dass soeben noch eine Jungfrau als Mitbewerberin ankomme. Bald rollte auch eine Kutsche daher, die war ganz von Kristall und mit acht weißen Schimmeln bespannt. Und siehe da, die stolze Donna, die aus der Kutsche stieg, war dieselbe, die der Elsbeth auf der Landstraße ihre Goldhaut geraubt hatte. Mit kecken Schritten und einer Miene, der man ansah, sie wäre ihres Sieges gewiss, ging sie auf den Platz, welcher in der Reihe der Jungfrauen noch, wie es schien, für sie offen gelassen war. Sie hatte denselben Anzug an wie heute Mittag, meergrün und weiß, und doch erschien sie

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