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Der große deutsche Märchenschatz

Der große deutsche Märchenschatz

Titel: Der große deutsche Märchenschatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaconda
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über den anderen zu Boden. Die papiernen Helden, Schauspieler und Jäger wurden weit über die Wiese hingeweht, und selbst Fürst Nussknacker, der eben seiner geliebten Braut mit anständiger Manier die Hand küssen wollte, stand auf so schwachen Füßen, dass er taumelte, umfiel, den Maulwurfshügel herunterrollte und mit offenem Munde am Fuße desselben liegen blieb.
    Das war ein schlimmes Zeichen für die Macht des neuen Fürstentums! Der große Respekt, den die Wurzelmänner noch eben vor den neuen Ankömmlingen gehabt, verwandelte sich bei diesem Anblicke bald in Verachtung. Nur der gute König und die schöne Prinzessin ließen sich in ihrer Bewunderung nicht irre machen, sie sprangen eilig von ihrem Thron herab und halfen dem gefallenen Fürsten wieder auf die Beine. Nussknacker aber brach in bittere Schmähungen aus; er nannte die Vögel, die ihn umgeworfen hatten, alberne hochfliegende Narren, die sich über alles auf der Welt erhüben, die alle Ordnung und Regel über den Haufen würfen. Sein Zorn wurde nicht eher besänftigt, als bis der künftige Schwiegervater versprach, dass auch er, um ähnliche Unfälle zu vermeiden, nichts Fliegendes, selbst keine fliegenden Blätter in seinem Lande dulden wolle.
    Allmählich war alles wieder auf die Beine gekommen, der übrige Teil des Tages verging unter Jubel und Lustbarkeiten, und am folgenden Tage ward die Hochzeit des Fürsten Nussknacker mit seiner schönen Braut auf das Allerglänzendste gefeiert; darauf nahmen beide Völker voneinander freundlichst Abschied, die Wurzelmänner kehrten in ihr Tal zurück, das Puppenvolk blieb auf seiner Nusswiese.
Fünftes Kapitel
    Das Puppenreich wird eingerichtet. – Übermut Nussknackers
,
    seiner Gemahlin und seiner Untertanen. – Abneigung beider
    Völker. – Der Wurzelkönig entsagt der Regierung. – Nussknacker
    ein Tyrann. – Rüstungen im Wurzelreich. – Der Krieg
. –
    Hampelmanns Tod. – Flucht und Untergang des Puppenreichs
. –
    Nussknackers Tod. – Rettung der Fürstin
.
    Ganze acht Tage bedurfte Fürst Nussknacker, um seinen Staat einzurichten, die Städte, Festungen und Dörfer an geeigneten Stellen aufzubauen und seinen Untertanen ihren Platz und ihre Tätigkeit anzuweisen. Alles das wurde mithilfe des lustigen Ministers Hampelmann, der die Seele des Ganzen war, vortrefflich ausgeführt. Es schien auch, als wolle der Himmel selbst das neue Fürstentum begünstigen, denn bisher hatte sich kein Wölkchen am Himmel gezeigt, kein Windstoß eine Kompanie Soldaten umgeworfen, kein Regen die schönen bunten Wasserfarben des Schlosses abgespült oder die fürstlichen Dekorationen des großen Theaters aufgeweicht.
    So lebte die junge Fürstin einige Tage mit ihrem Gemahl herrlich und in Freuden. Sie hatte bereits ihre alten Kleider aus Blumenblättern und Spinneweben abgelegt und trug sich, wie die eleganteste Staatspuppe, nach dem neuesten Pariser Modejournal. Ihre munteren natürlichen Bewegungen gewöhnte sie sich ab und nahm die steifste Haltung ihres Mannes und ihrer Hofdamen an, die es für unanständig hielten, den Kopf nur etwas auf die Seite zu drehen. Das Gehen verlernte sie fast ganz; dagegen fuhr sie häufig auf Bälle, Konzerte und Paraden, auf Maikäferhetzen und Fliegenjagden. Ihr liebstes Vergnügen war und blieb der Putz. Alle Tage wechselte sie ihren Anzug, und vor ihren Fenstern waren sämtliche Modebuden aufgestellt, sodass sie gleich beim Aufstehen die ersten Blicke dahin werfen konnte.
    Aber auch ihr Gemahl und seine Untertanen wurden immer übermütiger. Sie verachteten alles, was nicht Puppe und nicht so schön angestrichen und lackiert war wie sie. Jedes geflügelte Tier, was in ihre Nähe kam, wurde mit der härtesten Grausamkeit verfolgt.
    Auch die Wurzelmänner, die von Zeit zu Zeit zum Vergnügen herüberkamen, wurden immer kälter empfangen. Bald blieben sie ganz weg. Selbst der gute König musste es erleben, wie sein Schwiegersohn und seine eigene Tochter ihn mit der Zeit lieblos behandelten. Da verwandelte sich natürlich die frühere Freundschaft der beiden Völker schnell in bittern Hass. Noch waren nicht vier Wochen vergangen, so trieb Fürst Nussknacker seinen Übermut so weit, dass er von den Wurzelmännern einen monatlichen Tribut von 2000 Stück ausgesuchter Haselnüsse

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