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Der große deutsche Märchenschatz

Der große deutsche Märchenschatz

Titel: Der große deutsche Märchenschatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaconda
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forderte, dabei an der Grenze seine Truppen zusammenzog und alle Festungen in einer Linie gegen das Wurzelreich aufstellen ließ. Im Falle der Weigerung wollte er mit Heeresmacht in das Land seines Schwiegervaters einfallen.
    Eine solche Verletzung alles Rechtes musste das weiche Gemüt des guten Königs aufs Bitterste empören. Einen ganzen Tag lang weinte er die hellen Tränen in seinen bemoosten Bart hinein, dann sagte er sich öffentlich von der undankbaren Tochter los und beschloss, sie nie mehr vor Augen zu sehen. Endlich zog er sich selbst von allen Regierungsgeschäften zurück. Er fühlte wohl, dass er für ein so schwieriges Geschäft zu weichmütig sei.
    Die Nachricht davon gelangte bald zu seiner Tochter. Jetzt gingen ihr die Augen auf, wie unwürdig sie ihre Hand verschenkt, wie tief sie durch Eitelkeit alle Pflichten gegen ihren Vater und gegen die verletzt hatte, die ihr früher lieb und wert gewesen. Leider war es zu spät. Sie versuchte alles, ihren Mann von seinen unbilligen Forderungen abzubringen; er blieb bei seinem Vorsatz. Da sie aber mit Bitten nicht nachließ, richtete er endlich seinen Zorn auch gegen sie, schloss sie in ihr Zimmer ein und wollte nichts weiter von ihr hören. Statt Lust und Heiterkeit waren nun Schmerz und Reue ihr ständiger Begleiter.
    Indes war im Wurzelreiche ein junger kräftiger König gewählt worden. Er teilte den Ingrimm seines Volkes gegen die frechen Eindringlinge und erklärte ihnen kurzweg den Krieg. Er beschloss, sie in einem furchtbaren Kampfe gänzlich zu vertreiben oder zu vernichten, daher berief er von allen Seiten Bundesgenossen. – Kaninchen und Maulwürfe, Eidechsen und Regenwürmer sollten unter der Erde in das Land Nussknackers einbrechen und Städte und Dörfer umstürzen; Heuschrecken, Bienen und Käfer sollten aus der Luft über die Feinde herfallen; auf der Erde wollten die Wurzelmänner selbst mit spitzen Binsenpflanzen und scharfen zweischneidigen Grasschwertern die Feinde angreifen.
    Der Morgen des verhängnisvollen Kampfes brach düster an, der Himmel hing voll schwarzer Wolken. In ihren grünen und braunen Moosröcken rückten die Wurzelmänner gegen die Nusswiese an, sodass der Feind sie nicht eher erkannte, als bis sie dicht unter seinen Festungen waren. Nun erhob sich ein Bombardieren und Feuern aus allen Schießscharten derselben, aber die Kugeln blieben in dem Moose der Angreifenden hängen, und mit lautem Gelächter erwiderten sie das furchtbare Schießen. Schnell drang das Wurzelheer auf der Nusswiese vor. Prinz Nussknacker warf sich ihnen mit seiner Leibgarde entgegen, wurde aber zurückgeschlagen. Er floh in den Palast und machte Hampelmann zu seinem Feldmarschall. Mit verzweifelten Sprüngen führte dieser auch die Hauptarmee ins Feld. Da überfiel ein allgemeiner Schrecken das Land. Schon hatten die unterirdischen Hilfstruppen der Feinde den Boden, wo das Puppenheer marschierte, und zugleich Festungen, Städte und Dörfer der Nusswiese unterhöhlt, und zu derselben Stunde stürzten fast sämtliche Gebäude des Landes mit lautem Krachen über- und untereinander zusammen. Auch den Feldmarschall Hampelmann packte ein alter grimmiger Maulwurf bei einem Beine und zog ihn trotz seines Hampelns in die Erde hinab. Nie hat man ihn wiedergesehen. – Das war das Signal zu einer allgemeinen wilden Flucht für das ganze glänzende Heer des Nussknackers, und mit dem Geschrei »Rette sich wer kann!« stürzten die Fliehenden dem fürstlichen Palaste zu. Der aber war aus festen hölzernen Prachtstuben erbaut und trotzte noch am längsten den wühlenden Tieren. Hier hatte Nussknacker bereits seine Staatskutsche anspannen lassen. Mit seiner Gemahlin warf er sich schnell in diese hinein und rief dem Kutscher zu: »Fort aus diesem Tal, so rasch es geht, so weit als möglich!« Da drängte sich sein Volk in wildem Getümmel um die Kutsche herum, einen Halt daran zu finden, denn überall sausten aus der Luft Insekten herunter und warfen mit ihren Flügeln zu Boden, was nicht auf sehr festen Füßen stand.
    So wälzte sich das fliehende Volk wie ein großer Knäuel über die Wiese dahin. Obgleich hart von seinen Feinden gedrängt und mit Verlust vieler Toten, gelang es ihm doch, unter den großen Hecken, die das Tal umgaben, hindurchzuschlüpfen und in den Wald zu entkommen.
    Da sollte das Elend

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