Der große deutsche Märchenschatz
Hochehrwürden wohl ergehen wird. Das könnte euch wohl passen â aber das weià kein Mensch auf der ganzen Welt.
Denn inzwischen war der Fremde nebenan von dem Lärm munter geworden und hatte rasch seine Kleider übergeworfen. Wie er hörte, was der Müller gelobte, kam er herein, sah das gute schöne Kind, wie es mit den andern um die Wette widewaute, und sagte zum Müller: »Ich will Euch von diesem Zauber befreien, wenn Ihr mir versprecht, dass ich Eure Tochter zur Frau bekomme.« â »Widewau, du sollst sie haben, widewau, und die Mühle dazu, widewau, wenn du uns befreist«, rief der Müller. Der Bursch bückte sich, stocherte ein wenig die Asche auf und nahm unbemerkt das Steinchen daraus hervor. Dann schichtete er das Holz übereinander, blies hinein, und im Nu brannte es hell und lustig, und sofort konnten wieder alle ordentlich und vernünftig reden, und von widewau war nichts mehr zu hören. Der Müller aber hielt Wort; er gab dem jungen Gesellen seine Tochter zur Frau, und der Pfarrer verlobte sie sogleich. Damit waren beide sehr wohl zufrieden, denn sie fanden groÃes Wohlgefallen aneinander. Das junge Paar musste nun die Wirtschaft übernehmen, und so hatte die Not des jungen Müllerburschen ein Ende. Doch vergaà er im Glücke auch seine armen Eltern nicht, unterstützte sie reichlich, und so waren alle glücklich ihr Lebtag. Und auch der Müller war von seiner Grobheit und seinem Geiz kuriert.
Die singende Meerminne
Es war einmal eine Fischerswitwe, die hatte nichts als ihr kleines Mädchen und wohnte mit ihm in einem kleinen Häuschen an der See. Das Kind spielte nirgends lieber als am Strande, es war, als wenn die See es bezaubert hätte. Da waren tausend Muscheln und Kinkhörner und fremde Pflanzen und andere Dinge, wie die Ebbe sie zurücklieÃ; da hüpfte es so lustig ins Wasser und sprang mit beiden FüÃchen zugleich über die kleinen Wellen, die von der See herangerollt kamen.
Aber die Frau sah das gar nicht gern, sie konnte nicht vergessen, dass die See ihr vor ein paar Jahren ihren Mann genommen hatte. »Kind«, sagte sie fast jeden Morgen, »geh mir ja nicht weiter als bis in die Düne â die See ist falsch. Sie hat deinen Vater verschlungen. Bleib doch weg von dem bösen, bösen Wasser!«
Aber sie hatte nicht Zeit, immerzu auf ihr Kind aufzupassen, und eines Mittags, als sie das Essen schon auf dem Tisch hatte, kam das Mädchen nicht; sie wartete und wartete, es blieb aus. Da wurde sie unruhig und suchte es überall, lief meilenweit die Dünen ab, fragte alle Fischer, die ihr begegneten â alles war umsonst.
Als es Abend wurde und die Sonne hinter dem groÃen Wasser unterging, kehrte die Frau ganz verzweifelt wieder nach ihrem Häuschen zurück. Die Wellen gingen hoch, fast bis an die Düne, da kam von der See her ein wunderbarer Gesang. Die Frau blieb stehen und sah eine Meerminne mit langen Haaren voll Wasserblumen, wie die Frau sie noch nie gesehen hatte. Das Meerweib tauchte bis an die Hüften aus dem Wasser auf und sang:
»Ein Wasser-Dach, ein Palast von Kristall,
Da spielen meine Liebchen allzumal â¦
Fischer, wirf deine Netze aus â¦
Der Walfisch kommt und sucht seinen Schmaus.«
Als die Fischersfrau das von dem Palast und den Liebchen hörte, fiel ihr ein: unter denen könnte dein Kind auch sein. Sie fiel auf die Knie nieder und flehte die Meerfrau an, ihr zu sagen, ob sie nicht irgendwo das kleine Mädchen gesehen hätte, das da alle Tage auf dem Strande spielte.
»Ganz genau weià ich, wo das Kind ist«, sagte die Meerminne. »Auf dem Grund von dem tiefen Wasser in meinem kristallenen Schloss, und ist so gesund wie ein Fischchen und spielt wunderschöne Spiele mit meinen andern Lieblingen.«
Da weinte die Mutter noch mehr und fing an zu bitten, sie möchte ihr doch ihr einziges Kind zurückgeben. Aber die Meerfrau sprach: »Ich habe wohl Mitleid mit dir, aber die See darf kein Menschenleben, das sie einmal genommen hat, an die Erde zurückgeben, nie und nimmer. Nur einmal hinunterlassen in mein Wasserschloss kann ich dich, dass du dein Mädchen noch einmal siehst. Aber hast du auch den Mut, mir zu folgen, hundert Stunden weit übers Wasser dort nach dem Rand im Westen, und dann mit mir niederzutauchen, wo die See am tiefsten ist, hundert Stunden tief?« â »Ja, das getrau ich mir wohl«,
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