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Der große deutsche Märchenschatz

Der große deutsche Märchenschatz

Titel: Der große deutsche Märchenschatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaconda
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antwortete die Frau; »ich bin bereit, Euch zu folgen.«
    Da kam das Seeweib bis an den Rand von der Düne, ließ die Witwe auf ihren Schuppenschwanz niedersitzen und fuhr übers Wasser dahin, viel schneller als das schnellste Schiff. Und die dunkle Nacht war schon über der ganzen endlosen See, und immer noch ging es fort, fort nach Westen. Endlich sahen sie aus der Tiefe ein wunderhelles Licht aufstrahlen. »Hier ist es«, sagte die Meerminne. »Nun hol noch einmal Atem, so tief du kannst, und dann fasse Mut! Jetzt steigen wir hinab.« Und das ging viel schneller als die Seereise; in wenigen Augenblicken waren sie in dem herrlichsten Palast, wovon je ein Mensch hat träumen können. Es war so wie das Seeweib gesungen hatte:
    Â»Das Dach war von Wasser, die Mauern Kristall«,
    und ein himmlisches goldenes Licht strahlte davon aus und leuchtete viele Stunden weit. Die arme Mutter hatte aber keine Augen für all die Pracht. Sie dachte nur an ihr Kind und sah sich überall danach um. Aber nein, da war keine lebende Seele zu sehen. Da brachte die Meerminne sie in einen großen Saal mit silbernem Estrich und führte sie bis an eine schöne gläserne Tür, dadurch sahen sie eine ganze Menge Kinder, Mädchen und Jungen, lustig springen und spielen.
    Hindurchgucken durfte da die Mutter so viel sie wollte, aber hineingehen war ihr verboten. Zuerst konnte sie ihr Kind gar nicht herausfinden, aber endlich, als sie alle Kinder genau ansah, entdeckte sie es mitten in einem Trupp lachender Mädchen. Es hatte Backen wie ein Borsdorfer Äpfelchen und war so lustig wie irgendeins. Nun war die Mutter überglücklich. Sie bat die Meerminne, sie möchte ihr doch erlauben, in dem Schloss zu bleiben, da sie dann doch nahe bei ihrem Kinde wäre, und die Meerfrau war’s zufrieden. Nun konnte die Mutter jeden Tag durch die gläserne Tür schauen, soviel sie wollte; und sie konnte sich nie sattsehen.
    Und jeden Tag fiel sie vor der Meerminne auf die Knie und bat und flehte, sie möchte sie doch mit ihrem Kinde nach Hause ziehen lassen, aber die Meerminne sagte nein und blieb dabei. Doch endlich konnte sie den Tränen der Mutter nicht mehr widerstehen und sie sagte: »Ich will dir dein Kind zurückgeben, aber erst musst du noch eine Bedingung erfüllen.« – »Oh, fordere was du willst«, sagte die Mutter, »alles was in meinen Kräften steht, will ich gerne tun.«
    Â»Du sollst mir«, sagte die Meerminne, »einen Mantel weben von deinem eigenen Haar. Hier ist ein Töpfchen mit Fett, davon wird dein Haar schnell und stark wieder wachsen.«
    Die Mutter begann sogleich zu werken und zu weben und arbeitete Tag und Nacht, ohne einen einzigen Augenblick zu verlieren, aber als sie all ihr Haar bis an die Wurzel abgeschnitten und verwebt hatte, da war der Mantel erst halb fertig. Was sollte sie nun anfangen? Aber vielleicht, dachte sie, gibt sich die Meerfrau mit dem halben zufrieden. Doch all ihr Flehen und Bitten half nichts, die Meerminne hatte immer nur die eine Antwort: »Es bleibt bei dem, was ich einmal gesagt habe, ich muss den ganzen Mantel haben.«
    Halb von Sinnen ging die Mutter zurück nach ihrer Kammer und musste nun warten und warten, bis dass ihr Haar wieder lang genug war, und rieb es jeden Abend und Morgen mit Fett ein und sah immer wieder in den Spiegel.
    Jahr um Jahr harrte sie und webte sie – endlich war der Wundermantel fertig bis zum letzten Saume; die Frau sprang auf und lief damit zur Meerminne. Die prüfte das Werk und lobte und bewunderte es, während der Frau das Herz klopfte, als wollte es ihr die Brust sprengen – und »nun komm«, sprach sie; sie gingen zur gläsernen Tür, die wurde aufgetan und heraus trat das Töchterchen, das war inzwischen zu einem großen schönen Mädchen herangewachsen. Die Glückseligkeit der Mutter lässt sich nicht mit Worten beschreiben.
    Nun ließ die Meerfrau eine prächtige Kutsche kommen, spannte zwei andere Meerminnen davor und fuhr die Mutter mit ihrem Kinde über das große Wasser wieder nach Hause.

Die beiden Goldkinder
    Vor vielen, vielen Jahren geschah es einmal, dass zwei Mägde im Feld nicht weit von der Landstraße arbeiteten. Die eine rupfte Hanf, die andere schnitt Korn. Sie sprachen aber miteinander von mancherlei und waren lustig und guter Dinge. Nur einmal kam auf einem stattlichen Ross der junge König herangeritten. Die

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