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Der große deutsche Märchenschatz

Der große deutsche Märchenschatz

Titel: Der große deutsche Märchenschatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaconda
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doch nur recht an, liebes Mütterchen«, wollte der kleine Jakob noch sagen, »ich bin ja wirklich dein Sohn«, aber da erhoben sich die Nachbarinnen, die alles mit angehört hatten und drangen auf ihn ein und drohten ihn zu zerkratzen, wenn er nicht sogleich verschwinde.
    Der arme Jakob wusste nicht, was er von alledem denken sollte; die Tränen traten ihm in die Augen und er machte sich traurig davon. »Ich will doch sehen«, sagte er bei sich, »ob auch mein Vater mich nicht mehr kennen mag. Unter seine Türe will ich mich stellen und mit ihm sprechen.«
    Der Meister Schuhmacher aber war so emsig mit Draht und Pfriem beschäftigt, dass er den kleinen Jakob erst nach einer kleinen Weile bemerkte, als er von seiner Arbeit aufblickte.
    Â»Um Gottes willen«, rief er, »was ist das?«
    Â»Guten Abend, Meister«, sagte der Kleine, »wie geht es Euch?«
    Â»Schlecht, kleiner Herr«, antwortete der Vater zu Jakobs Bestürzung und schien ihn nicht zu erkennen. »Ich werde nun alt, doch ist mir ein Geselle zu teuer.«
    Â»Aber habt Ihr denn kein Söhnlein, das Euch an die Hand gehen könnte?«, fragte der Kleine.
    Â»Ich hatte einen«, seufzte der Alte, »ein lieber hübscher Bursch ist das gewesen, und anstellig obendrein. Aber seit sieben Jahren habe ich ihn nicht mehr, da ist er mir vom Markte gestohlen worden. Ein hässliches altes Weib, dem er das Gemüse hat heimtragen helfen, muss ihn mit sich genommen haben, denn von Stund an ward er nicht mehr gesehen.«
    Â»Vor sieben Jahren«, rief Jakob mit Entsetzen, »vor sieben Jahren sagt Ihr?«
    Â»Vor sieben Jahren«, nickte der Alte. »Manche sagen, es könnte wohl die böse Fee Kräuterweis gewesen sein, die nur alle fünfzig Jahre einmal in unsere Stadt kommt, um allerlei einzukaufen.«
    Da ward dem kleinen Jakob plötzlich klar, dass er nicht geträumt, sondern dass er wirklich volle sieben Jahre bei der Alten gedient hatte, und das Herz wollte ihm zerspringen. So stand er lange Zeit und dachte über sein Schicksal nach. Endlich fragte ihn der Alte, ob er ihm vielleicht mit ein paar Schuhen gefällig sein könnte oder gar mit einem Lederfutteral für seine lange Nase.
    Â»Was denn für eine lange Nase?«, fragte Jakob; aber als er nun seine Nase mit den Händen betastete, da wusste er, was der Alte meinte.
    Â»Habt Ihr keinen Spiegel im Hause«, fragte er mit Tränen in den Augen, »worin ich mich beschauen könnte?«
    Â»Nein«, sagte der Alte, »aber drüben der Nachbar Barbier hat einen, der wird wohl groß genug für Eure Nase sein. Und somit Gott befohlen.« Damit schob er ihn zur Türe hinaus.
    Wie erschrak aber Jakob, als er nun bei dem Barbier, der gerade seinen Kunden die Bärte seifte, in den Spiegel schaute: Seine Augen waren winzig klein geworden, seine Nase aber wohl zwei Hände lang und hing ihm über Mund und Kinn herunter. Sein Kopf stak ihm tief in den Schultern, und sein Rücken und seine Brust waren weit ausgebogen und anzusehen wie ein kleiner gefüllter Sack. Die Beine waren nur schwach und kurz, umso länger dafür die Arme und die Hände mit den dünnen, spitzigen Fingern. Wenn er sie ausstreckte, konnte er damit auf den Boden langen, ohne sich zu bücken. Er war zu einem missgestalteten Zwerg geworden.
    Â»Ja, liebe Mutter«, murmelte er vor sich hin, »da konntest du freilich deinen Jakob nimmermehr erkennen.« Damit verließ er unter dem Hohngelächter des Barbiers und seiner Kunden den Laden und ging stumm und in sich gekehrt davon, wohin ihn der Weg führen wollte. Weil sich aber niemand seiner erbarmte, so musste er zuletzt die Nacht auf den kalten Stufen einer Kirche verbringen.
    Andern Morgens aber, als ihn die ersten Strahlen der Sonne erweckten, dachte er ernstlich darüber nach, wie er hinfort, von Vater und Mutter verkannt und verstoßen, sein Leben fristen könnte. Da fiel ihm ein, dass er ja die hohe Kochkunst bei der bösen Fee gelernt hatte, und er beschloss, es damit zu versuchen.
    Nun war der Herzog des Landes ein Schlemmer und Leckermaul, der seine Köche aus allen Weltteilen kommen ließ. In dessen Palast begab sich der Kleine. Die Türhüter lachten sehr über ihn, als er nach dem Oberküchenmeister verlangte, und die Lakaien und die Stallknechte und die Läufer ließen ihre Arbeit liegen und rannten zusammen und lachten noch mehr, als

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