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Der große deutsche Märchenschatz

Der große deutsche Märchenschatz

Titel: Der große deutsche Märchenschatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaconda
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er nun über die vielen Treppen des Schlosses vor den Oberküchenmeister geführt wurde.
    Â»Gnädiger Herr«, sprach er zu ihm und verbeugte sich so tief, dass er mit der Nase den Teppich berührte, »braucht Ihr keinen geschickten Koch?«
    Â»Einen Koch?«, rief der Oberküchenmeister und betrachtete ihn vom Kopf bis zu den Füßen, »meinst du, unsere Herde seien so niedrig, dass du auch nur auf einen davon hinaufschauen kannst? O lieber Kleiner, wer dich als Koch zu mir geschickt hat, der hat dich weidlich zum Narren gehabt.« Damit schlug er sich vor Vergnügen auf den Bauch und lachte schallend, und mit ihm lachten der Aufseher und der Türhüter und alle die Trabanten und Lakaien, die sich mit in das Zimmer gedrängt hatten.
    Â»Was liegt an einem Ei oder zweien, an ein wenig Wein und Würze«, entgegnete der Zwerg, »lasst mich wenigstens eine Leckerspeise zur Probe kochen und Ihr sollt sagen müssen: Er ist doch ein Koch nach Recht und Regel.«
    Â»Wohlan«, rief der Küchenmeister, »es sei um des Spaßes willen! Lasst uns zur Küche gehen.«
    Die Küche aber war ein großer Saal mit zwanzig Kochherden darin, in denen beständig Feuer brannte, und mitten durch den Saal floss ein klarer Bach, der zugleich als Fischbehälter diente. Weil aber der Zwerg kaum mit der Nase an einen der Herde reichen konnte, so setzten die Küchenjungen ein paar Stühle zusammen, legten eine Marmorplatte darüber, und von dort aus begann er nun seine Kunst zu zeigen. Der Oberküchenmeister verlangte die dänische Suppe von ihm und die roten Hamburger Klößchen, und er meinte dazu, dass er die Klößchen wohl auf keinen Fall herausbringe, denn sie wären eine der schwierigsten Speisen.
    Â»Nichts einfacher als das«, sagte der Zwerg, denn er hatte sie als Eichhörnchen oft gemacht, »wenn ich viererlei Fleisch habe und etwas Wein, Entenschmalz, Ingwer und das Kräutlein Magentrost.« Sogleich begann er mit der Zubereitung in zwei Schüsseln auf das reinlichste und niedlichste, rückte sie ans Feuer und fing an laut zu zählen. Als er bis fünfhundert gezählt hatte, rief er halt und lud den Küchenmeister ein, zu kosten.
    Der Mundkoch ließ sich von einem Küchenjungen einen goldenen Löffel reichen, spülte ihn im Bach und reichte ihn dem Oberküchenmeister.
    Â»Köstlich, bei des Herzogs Leben überaus köstlich«, schnalzte der Küchenmeister, nachdem er gekostet hatte, und nun kosteten auch der Palastaufseher und der Frühstückskoch, und sie schüttelten dem Zwerg ehrfurchtsvoll die Hand und sagten ihm, dass er ein hoher Meister in seiner Kunst sei. Darauf wurden die Speisen auf silbernen Platten dem Herzog zum Frühstück hineingetragen.
    Noch am gleichen Morgen wurde der Zwerg vor den Herzog befohlen, denn ihm hatte, solange er denken konnte, nichts mehr so gemundet wie diese dänische Suppe mit den roten Hamburger Klößchen.
    Â»Willst du als mein Frühstückskoch bei mir bleiben«, sprach der Herzog, nachdem er sich an der Gestalt des kleinen Mannes gebührend ergötzt hatte, »so will ich dir jährlich fünfzig Dukaten reichen lassen, und fortan sollst du Zwerg Nase heißen und die Würde eines Unterküchenmeisters bekleiden.«
    Da fiel der Zwerg Nase auf die Knie nieder vor dem mächtigen Herzog und versprach ihm treu zu dienen. Zwei Jahre lang lebte er nun in Ehren und in Wohlleben in dem Palaste des Herzogs, denn diesem mundete es von Tag zu Tag besser, was er ihm kochte, und die höchsten Würdenträger des Landes erbaten sich die Erlaubnis, dass ihre Diener bei dem Zwerg das Kochen lernen durften, und sie zahlten ihm einen Dukaten für die Stunde Unterricht obendrein.
    Eines Morgens aber kehrte der Zwerg Nase wieder einmal vom Markte heim und trug auf seinen Schultern einen Käfig mit drei Gänsen, die er eingekauft hatte, um sie für die herzogliche Tafel zu braten. Da hörte er, wie die eine von den Gänsen seufzte und ächzte wie ein Mensch. »Die ist halb krank«, sprach er vor sich hin, »ich muss mich eilen, dass ich sie umbringe und zurichte.« Aber die Gans antwortete ganz deutlich:
    Â»Stichst du mich,
    So beiß ich dich,
    Drückst du mir die Kehle ab,
    Bring ich dich ins frühe Grab.«
    Â»Ei der Tausend«, rief Zwerg Nase und setzte den Käfig nieder, »kann sie sprechen, Jungfer Gans?

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