Der große deutsche Märchenschatz
er, »der König hat uns doch das Land geschenkt, nun will ich ihm auch den goldenen Kolben schenken, den ich in dem Lande gefunden habe.« Darauf entgegnete Isabelle: »Ich rate Euch, Vater, lasst das lieber sein; denn wenn der König den StöÃel sieht, so wird er auch nach dem Mörser fragen, und wenn Ihr den nicht schaffen könnt, so wird er meinen, Ihr hättet ihn für Euch behalten.«
Aber der Mann lieà sich nicht bereden, sondern ging hin vor den König. »Mit Gunst, Herr König! Ich wollte Euch wohl einen goldenen StöÃel bringen, den habe ich in dem Acker gefunden, den Ihr mir neulich geschenkt habt, so Ihr noch wohl wissen werdet.« â »Gut das!«, sprach der König; »aber, lieber Mann, der Mörser, wo ist denn der?« â »Mit Verlaub, Herr, den Mörser fand ich nicht, so viel ich auch gesucht habe.« â »Ei Mann!«, sprach der König; »wo der StöÃel ist, da muss doch auch der Mörser sein; du möchtest ihn wohl gern für dich behalten?« â »gewiss und wahrhaftig, Herr König, den Mörser habe ich nicht.« â »Ja, warte nur, Bösewicht!«, fuhr der König voll Zorns heraus; »ich will dich setzen lassen bei Wasser und Brot, und nicht eher sollst du loskommen, bis du mir kundtust, wo du den Mörser lieÃest, der zu dem goldenen StöÃel gehört.«
Da lieà der König den armen Mann ins Gefängnis werfen; der fing an zu klagen und rief in einem fort: »Hättâ ich doch meiner Tochter geglaubt!« Als das dem König hinterbracht wurde, lieà er ihn vor sich fordern und fragte ihn, warum er denn immer riefe: »Hätte ich doch meiner Tochter geglaubt!« Da erzählte er dem Könige, wie ihm seine Tochter vorausgesagt hätte, dass es alles so kommen würde. Sprach darauf der König: »Wenn Eure Tochter wirklich so klug ist, wie Ihr sagt, so möchte ich sie wohl sehen und auf die Probe stellen.« Und sogleich sandte er seine Diener aus und lieà sie rufen.
Als Isabelle nun vor den König kam, redete er sie an und sprach: »Ich habe viel von deiner Klugheit reden hören, darum will ich dir jetzt eine Aufgabe stellen: Du sollst zu mir auf mein Schloss kommen; nicht nackt und nicht bekleidet, nicht gegangen und nicht geritten, nicht zu Pferde und nicht zu Wagen, nicht bei Tage und nicht bei Nacht. Wenn du das kannst, so will ich dich zur Frau nehmen und sollst die Königin sein.« Da hat das Mädchen gesagt: Ja, das wollte sie wohl können und ist fortgegangen.
Den nächsten Mittwoch nahm sie ein Fischnetz, da kroch sie splitternackt hinein, band es einem Esel an den Sattel, doch so, dass sie eben mit den groÃen Zehen den Boden streifte und lieà sich hintragen zu des Königs Schlosse; so kam sie denn an: nicht nackt und nicht bekleidet, nicht gegangen und nicht geritten, nicht zu Pferde und nicht zu Wagen, nicht bei Tage und nicht bei Nacht, denn es war an einem Mittwochmorgen. * Als das der König sah, verwunderte er sich zum höchsten über ihre Klugheit und sprach: »Ich will dich nun zu meiner Frau annehmen; nur eins muss ich mir zuvor noch ausbedingen, dass du mit allem zufrieden bist, was ich tue, es mag sein, was es will; solltest du aber jemals dawider sein, so werde ich dich aus meinem Hause verstoÃen.« Das musste sie dem Könige versprechen; der nahm sie dann zur Frau.
Eine Zeit danach kriegte die Königin ein kleines Kind, das war ein Mädchen. Da sprach der König: »Ich will das Kind von der Welt schaffen lassen; wir haben doch nur Last davon.« Da bebte der Königin das Herz in der Brust vor Schrecken, aber doch blieb sie ihrem Versprechen getreu und antwortete: »Wenn Ihr es wollt, Herr, so bin ich zufrieden.« So lieà denn der König das Kind von seinen Dienern hinwegtragen.
Es verging eine Zeit, da kriegte die Königin ein zweites Kind, das war ein Knabe; und wieder sprach der König: »Ich will das Kind von der Welt schaffen; wir haben doch nur Last davon.« â »Wenn es Euer Wille ist, Herr, so bin ich zufrieden«, sagte Isabelle, ob es ihr gleich an die Seele ging, dass sie sich von ihrem lieben, unschuldigen Kinde scheiden sollte. So lieà es denn der König durch seine Diener hinwegtragen. Die Zeit verging, aber die Königin kriegte nun keine Kinder mehr; sie verschloss ihre Traurigkeit in der Brust, ohne jemals gegen den König
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