Der große deutsche Märchenschatz
dir der Mond gegeben, da findest du ein silbernes Kleid, lege es an und gehe mit zur Kirche, das Ãbrige wird sich von selbst ergeben!«
Nun schenkte der Abendstern der Königstochter auch eine sterngefleckte Nuss und führte sie auf seinem goldnen Kahne hinüber, und sie stellte sich in ihrer zerrissenen Kleidung an die Pforte der Königsburg. Als nun die junge Frau in vollem Schmuck zur Kirche ging und die Arme erblickte, rief sie zornig: »Jagt mir fort die zerlumpte Bettlerin!« Diese lief auf die Seite, nahm aber schnell ihre silberne Nuss hervor, öffnete sie, und alsbald erhob sich daraus ein wunderschönes silbernes Kleid. Sie zog es eiligst an und ging zur Kirche.
Als die Leute den wunderbaren Glanz sahen, so erstaunten sie, und alles blickte hin auf die Fremde im Silberkleid. Die Braut stand eben vor dem Altare neben ihrem Bräutigam und sah auch das wundervolle Kleid. Da rief sie ihrem Bräutigam zu: »Nein, bis ich nicht ein solches Kleid habe, will ich nicht dein Weib werden!« Sie ging vom Altare weg und nach Hause. Die Fremde in ihrem Silberkleid war aber zuerst aus der Kirche hinausgegangen, hatte schnell ihr Kleid abgelegt und sich wieder in ihre Lumpen gehüllt. Nun frug man sogleich im ganzen Königreich nach, aber ein solches Kleid war nirgends zu finden. Da lieà die Bettlerin der Königstochter sagen, wenn sie ihr erlaube, eine Nacht in dem Schlafgemach ihres Bräutigams zu wachen, so wolle sie ihr das Kleid verschaffen. Die Königstochter bewilligte das gern, sie lieà aber ihrem Bräutigam die Ohren verstopfen und Schlaftrunk geben. In der Nacht nun kniete die Bettlerin an der Lagerstatt ihres Gemahls und erzählte ihm wehklagend ihre Mühen und Leiden: »Siehe, ich bin dir gefolgt bis ans Ende der Welt, sieben Kleider und sieben Paar Schuhe habe ich zerrissen, so höre doch und erbarme dich meiner Not um des Kindes willen, das ich unter dem Herzen trage!« Aber der Königssohn schlief einen eisernen Schlaf und hörte nichts.
Am folgenden Tag, als die Königsbraut das silberne Kleid angetan hatte, war sie fröhlich, und nun ging sie wieder zur Kirche, um sich trauen zu lassen. Da nahm die Bettlerin ihre goldne Nuss hervor, und darin lag ein Kleid aus lauter Gold. Sie legte es an und ging auch zur Kirche. Eben sollte über das neue Paar der Segen gesprochen werden, da sah die Frau die Fremde im goldnen Kleide. Sogleich rief sie: »Nein, bis ich nicht ein solches Kleid habe, kann ich nicht dein Weib sein!«, und ging aus der Kirche wieder stracks nach Hause. Die Fremde war wieder zuerst hinausgegangen, hatte sogleich ihr goldenes Kleid in die Nussschalen gelegt und sich in ihre Lumpen gehüllt. Man fragte im ganzen Reiche umsonst nach einem solchen Kleide. Da lieà die Bettlerin der Königsbraut sagen, wenn sie ihr erlaube, wieder eine Nacht im Schlafzimmer ihres Bräutigams zu wachen, so wolle sie ihr das Kleid verschaffen. Die Königstochter willigte ein, lieà jedoch abermals ihrem Bräutigam die Ohren verstopfen und einen Schlaftrunk reichen. Als nun in der Nacht die Unglückliche wieder an der Lagerstätte ihres Gemahls kniete und ihm ihre Not klagte, so war alles umsonst, er schlief fest und hörte nichts.
Den folgenden Tag ging es wieder zur Kirche. Die Braut hatte das goldne Kleid angelegt, und Schöneres konnte man sich nicht denken. Die Bettlerin nahm jetzt ihre sterngefleckte Nuss vom Abendstern hervor, und daraus zog sie ein Kleid, darauf war der ganze Sternenhimmel der Nacht zu sehen. Als sie in die Kirche trat, sprach eben der Geistliche den Segen.
Kaum hatte die Braut aber die Fremde im Sternenkleid erblickt, so rief sie dem Priester zu: »Halt, bis ich nicht ein solches Kleid habe, will ich nicht das Weib dieses Mannes sein!« Sie eilte stracks nach Hause, und man frug im ganzen Reich nach einem solchen Kleid. Das war aber noch weniger zu finden als das goldne und silberne. Da lieà die Bettlerin der Königstochter wieder sagen, wenn man ihr erlaube, die Nacht im Schlafgemach des Bräutigams zuzubringen, so würde sie es ihr verschaffen. Die Braut war das zufrieden, sie lieà aber ihrem Bräutigam auch diesmal die Ohren wohl verstopfen und ihm einen Schlaftrunk reichen. Als in der Nacht die Arme zum dritten Mal vor dem Bett ihres Gemahls kniete, fing sie an bitter zu weinen und zu klagen: »Ach, er wird wieder schlafen und nicht hören, und nun habe ich nichts mehr,
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