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Der große deutsche Märchenschatz

Der große deutsche Märchenschatz

Titel: Der große deutsche Märchenschatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaconda
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tanzen.«
    Schon lange war Gottschalk neugierig, was sein Weib alle acht Tage in der dunklen Kammer mache, in die sie sich verschloss. Der Neugierteufel plagte ihn so sehr, dass er ihr keine Ruhe ließ, sie möge es ihm doch sagen. Doch sie sagte ihm nichts und meinte, es würde ihre Glückseligkeit ein Ende haben, wenn er es erführe. Einige Zeit gab er Fried, aber es dauerte nicht lange. Als sie sich wieder einmal einschloss, da schlich er sich nach und schaute zum Schlüsselloch hinein; aber was sah er da! Sein Weib war vom Schenkel bis zu den Zehen mit Haaren bewachsen und hatte statt der Beine dürre Bocksfüße. Eiskalt lief’s ihm übern Buckel, als er sah, dass er ein solches Ungeheuer zur Frau habe. Doch tröstete er sich wieder: »Es dauert ja nicht lang und dann ist sie wieder so schön wie früher.« Diesmal hatte sich unser Gottschalk aber verrechnet. Die Stunde, da sie gewöhnlich aus der Kammer kam, war schon lange vorüber, und wer nicht kam, das war sein Weib. Er ging nun an die Tür horchen; da hörte er ein Schluchzen und Jammern, das wohl einen Stein hätte erweichen können.
    Er konnte sich nicht länger halten und riss die Tür auf. »Ja, komm nur jetzt zu mir«, sprach sie zu ihm, »und schau, was du gemacht hast. Ich muss nun in dieser Gestalt verbleiben, und mit unserem Glücke ist’s aus, rein aus, und das alles nur deshalb, weil du mich in dieser Gestalt gesehen hast. Jetzt musst du fort von hier, und nur durch wahre Liebe und Treue kannst du deinen Fehler wiedergutmachen.«
    Gottschalk war nicht wenig erstaunt über diese Kunde; noch einmal wollte er seine Frau umarmen, doch als er seine Hände nach ihr ausstreckte, fühlte er sich zurückgestoßen, und alles war verschwunden. Schloss, Garten und Laube, alles war verschwunden. Nun fing er an zu jammern, aber es half nichts, er hatte sich die Suppe selbst eingebrockt. Gottschalk schaute sich um, da stand das graue Mandl vor ihm. »Du hast dir eine schöne Geschichte auf den Hals gebunden durch deine Neugier, aber ich will dir aus der Not helfen, nur hübsch lange wird es dauern. Du musst vor allem darauf ausgehen, dass du das Schloss deines Weibes findest und durch Ausdauer in deinem Vorhaben deinen Fehler wiedergutmachst; zeigen darf ich dir den Weg dahin nicht, aber suche die Sonne auf, die weiß dir vielleicht etwas darüber zu sagen.«
    Und wie der Alte gekommen, so verschwand er auch wieder. Gottschalk war nun wieder herzlich froh, denn er hoffte, bald werde wieder alles gut sein. So wanderte er nun fort, immer weiter und weiter, bald hin bald her, aber die Sonne konnte er nicht finden. Ein Jahr war er schon gewandert, ohne zu seinem Ziele zu gelangen, und weder Speis noch Trank hatte er zu sich genommen – denn die ganze G’schicht ist sunder- und wunderbar.
    Eines Tages, als er wieder fruchtlos gewandert, sprach er zu sich selbst: »Ei, Gottschalk, das Männlein wird dich wohl zum Narren haben«, aber da ward ihm auf einmal immer wärmer und wärmer, es flimmerte und blitzte durch den Wald, wo er gerade ging, und je weiter er kam, desto mehr näherte er sich dem Lichte, desto heißer wurde es ihm. »Das kann wohl die Sonne sein«, dachte er. Richtig, sie war es. In einem durchsichtigen Häuschen von hellem Glase saß die Mutter Sonne und drehte ein Rädchen, mit dem sie die schönsten Goldfäden spann. Ihr Kopf glitzerte und brannte lichterloh wie das größte Ofenfeuer, und sie tat doch nichts dergleichen. Sie hatte einen purpurroten seidenen Rock, der gegen unten immer dunkler wurde, und an den Füßen kohlschwarze Schuhe. Gottschalk hätte gern die Sonne gefragt, aber er konnte nicht hingehen, denn es war dort unerträglich heiß. Da stellte er sich, so nahe er konnte, hinter einen Strauch und schrie hinüber zur Sonne, ob sie ihm nicht sagen könne, wo das Schloss seiner Frau sei und welcher Weg hinführe. Er erzählte ihr nun, wie es dort einen gar schönen Garten gebe, auf den Bäumen daselbst seien goldene Äpfel und silberne Blüten und das Dach des Schlosses sei aus purem Golde und das Ganze mitten im Walde gelegen.
    Die Sonne sprach zu ihm: »Lege dich nur unter einen Baum schlafen, dieweil ich überall hin scheine und dir dann sage, wo du hinzugehen hast.« Die Sonne fing nun an zu sprühen und zu flammen, wie wenn man frisches Holz in einen Ofen wirft; sie

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