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Der Grosse Eisenbahnraub: Roman

Der Grosse Eisenbahnraub: Roman

Titel: Der Grosse Eisenbahnraub: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Crichton
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müssen.«
    Pierce verbrachte einen Teil der Nacht schlafend. Bei Tagesanbruch wurde er durch den Lärm der sich vor dem Haus drängenden Menschenmenge geweckt. Über fünfzehn tausend lärmende, rohe Menschen hatten sich inzwischen dort unten versammelt, und Pierce wußte, daß noch einmal zehnoder fünfzehntausend hinzukommen würden, Neugierige, die auf dem Weg zur Arbeit noch rasch einen Abstecher zu der Hinrichtung machten. Wenn am Montagmorgen eine Hinrichtung war, gaben sich die Dienstherren der Stadt gar nicht erst den Anschein, als legten sie Wert auf strikte Pünktlichkeit. Man ging wie selbstverständlich davon aus, daß jeder zu spät zur Arbeit erschien, besonders heute, da eine Frau gehängt werden sollte.
    Der Galgen war jetzt fertig. Der Strick schwang über der Falltür hin und her. Pierce sah auf seine Taschenuhr: 7 Uhr 45. Gleich war es soweit.
    Unten auf dem Platz begann der Mob im Chor zu rufen: »Oh, ihr Leut’, hängen soll ich heut’! Oh, ihr Leut’, hängen soll ich heut’!« Man hörte lärmendes Gelächter und das Gestampfe von Füßen. An ein, zwei Stellen kam es zu Prügeleien, die sich in dem dichten Gedränge aber nicht recht entfalten konnten.
    Sie traten alle ans Fenster, um das Schauspiel zu betrachten. Agar fragte: »Wann wird er’s versuchen?«
    »Punkt acht, würde ich meinen.«
    »Ich selbst würde es ein bißchen eher versuchen.«
    Pierce sagte: »Er wird den Zeitpunkt wählen, der ihm am günstigsten erscheint.«
    Langsam verstrichen die Minuten. Niemand im Raum sagte etwas. Schließlich sagte Barlow: »Ich habe Emma Barnes gekannt – hätte nie gedacht, daß sie so enden würde.«
    Pierce sagte nichts.
    Vom Turm von St. Sepulchre her schlug es acht Uhr, und die Menge johlte vor Erwartung. Eine Gefängnisglocke läutete dünn. Eine Tür in der Gefängnismauer wurde geöffnet, und die Gefangene wurde herausgeführt. Die Hände waren ihr auf dem Rücken gefesselt. Ihr voraus ging ein Geistlicher, der laut aus der Bibel las. Hinter ihr ging in schwarzer Kleidung der Henker der Stadt.
    Die Menge sah die Gefangene und brüllte: »Hüte ab!« Alle nahmen ihre Hüte ab, während die Gefangene langsamen Schrittes das Galgengerüst betrat. Dann wurden Rufe laut:
    »Runter, da vorn! Man sieht ja nichts!« Sie blieben aber weitgehend unbeachtet.
    Pierce behielt die zum Tod verurteilte Frau im Auge.
    Emma Barnes war in den Dreißigern und wirkte noch recht jung. Ihr offenes Kleid ließ die feste Linie ihres Halses erkennen. Ihr Blick war abwesend und starr. Sie schien überhaupt nichts wahrzunehmen. Sie stellte sich an den ihr angewiesenen Platz. Der Scharfrichter wandte sich ihr zu und zupfte an ihrem Kleid herum wie eine Näherin, die an einer Schneiderpuppe herumhantiert. Emma Barnes starrte über die Menge hinweg. Der Strick wurde ihr um den Hals gelegt.
    Der Geistliche las mit lauter Stimme, ohne von der Bibel aufzublicken. Der Henker band die Beine der Frau mit einem Lederriemen zusammen. Dazu mußte er unter ihren langen Rock greifen, was die Menge mit anzüglichen Bemerkungen quittierte.
    Dann erhob sich der Scharfrichter wieder und zog der Delinquentin eine schwarze Haube über den Kopf. Und schließlich, auf ein Zeichen hin, öffnete sich die Falltür mit einem hölzernen Krachen, das Pierce mit peinvoller Deutlichkeit vernahm; der Körper fiel, fing sich und hing im gleichen Augenblick regungslos da.
    »Er lernt’s allmählich!« sagte Agar. Der Londoner Scharfrichter war für schlampige Hinrichtungen bekannt, bei denen die Verurteilten sich oft minutenlang wanden und krümmten, bis der Tod eintrat. »Aber das wird den Leuten gar nicht gefallen«, fügte Agar hinzu.
    Doch die Menge schien zufrieden. Einen Augenblick lang herrschte Totenstille. Dann brach aufgeregter Lärm los.
    Pierce wußte, daß die meisten Menschen noch auf dem Platz ausharren würden, um noch die ganze nächste Stunde auf den Galgen zu starren – bis man die tote Frau vom Strick abschnitt und in einen Sarg legte.
    »Etwas Punsch gefällig?« fragte Agars Hure.
    »Nein«, sagte Pierce. Und dann sagte er: »Wo bleibt Willy?«
    Sauber-Willy Williams, der berühmteste Schlangenjunge des Jahrhunderts, schickte sich in diesem Augenblick an, aus dem Gefängnis von Newgate auszubrechen. Er war von fast zwergenhaftem Wuchs, und schon als Schornsteinfegerlehrling war er seiner Behendigkeit wegen berühmt gewesen. In späteren Jahren hatten sich die berüchtigtsten Einbrecher seiner Talente bedient. Er erfreute

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