Der Grosse Eisenbahnraub: Roman
Willy.
»Sie sind bezahlt worden.«
»Ich brauch aber mehr«, sagte Willy.
Pierce warf ihm einen Blick zu. Willy schwitzte und war offensichtlich nervös, sah sich aber nicht aufgeregt um, wie nervöse Menschen das normalerweise tun.
»Wollen Sie mich reinlegen, Willy?«
»Nein.«
»Hat man Sie umgedreht, Willy?«
»Nein, ich schwöre, nein.«
»Willy«, sagte Pierce, »wenn Sie mich verpfiffen haben, können Sie sich die Lilien von unten besehen.«
»Ich schwöre«, sagte Willy. »Ich bin koscher – brauch nur ein oder zwei Scheine, und damit hat es sich.«
In einem Anfall patriotischen Mitgefühls für die Verbündeten Englands intonierte die Kapelle jetzt die Marseillaise.
Ein paar Zuhörer besaßen die Taktlosigkeit, die französische Nationalhymne auszubuhen.
Pierce sagte: »Sie schwitzen, Willy.«
»Bitte, Sir, ein Scheinchen oder zwei, und dann ist die Sache für immer erledigt.«
Pierce langte in seine Brieftasche und zog zwei Fünf-PfundNoten heraus. »Versuchen Sie nicht, mich reinzulegen«, sagte er, »sonst würde ich tun, was getan werden muß.«
»Vielen Dank, Sir, ich danke Ihnen«, sagte Willy und steckte das Geld schnell ein. »Vielen Dank, Sir.«
Pierce ging. Als er den Palast verließ und in den Park hinaustrat, wandte er sich mit raschen Schritten der Harleigh Road zu. Dort hielt er kurz inne, um seinen Zylinder zurechtzurücken. Barlow, dessen Kutsche am Ende der Straße hielt, hatte das vereinbarte Signal gesehen.
Dann schlenderte Pierce die Harleigh Road hinunter, allem Anschein nach sehr gelassen, wie ein Herr, der etwas Luft schnappen möchte. Seine Gedanken, welcher Art auch immer, wurden durch das Jaulen einer Zugpfeife und das Fauchen einer in der Nähe vorüberfahrenden Lokomotive unterbrochen. Pierce blickte über die Bäume und Hausdächer hinweg und sah schwarzen Rauch zum Himmel aufsteigen. Unwillkürlich blickte er auf die Uhr: Es war der Nachmittagszug der South Eastern Railway auf dem Rückweg von Folkestone, der auf den London Bridge-Bahnhof zudampfte.
Eine uner w artete Begegnung
Mr. Pierce winkte am Ende der Harleigh Road in der Nähe der St. Martin’s Church eine Droschke heran und fuhr in die Regent Street. Dort stieg er aus.
Er schlenderte die Regent Street entlang. Er blickte nicht ein einziges Mal über seine Schulter zurück, blieb aber oft stehen, um sich die Schaufenster anzusehen und das, was sich in ihnen spiegelte.
Was er sah, gefiel ihm überhaupt nicht, aber das, was dann geschah, traf in völlig unvorbereitet. Eine wohlbekannte Stimme rief: »Edward, mein lieber Edward!«
Pierce stöhnte innerlich auf und drehte sich um. Vor ihm stand Elizabeth Trent. Sie machte einen Einkaufsbummel.
Ein livrierter Botenjunge begleitete sie und trug hübsch eingewickelte Pakete. Elizabeth Trent errötete tief. »Ich … ich muß schon sagen, wirklich, das ist eine riesengroße Überraschung.«
»Ich freue mich unendlich, Sie wiederzusehen«, sagte Pierce. Er verneigte sich und küßte ihr die Hand.
»Ich … ja, ich …« Sie entzog ihm die Hand, rieb sie an der anderen. »Edward«, sagte sie und holte tief Luft. »Edward, ich habe so gar nichts mehr von Ihnen gehört.«
»Ich muß sehr um Entschuldigung bitten«, sagte Pierce aalglatt. »Ich mußte sehr plötzlich in einer geschäftlichen Angelegenheit verreisen, ins Ausland, und ich fürchtete fast, daß mein Brief aus Paris nicht genügt hat, Ihre verletzten Gefühle zu besänftigen.«
»Paris?« sagte sie und hob die Augenbrauen.
»Ja. Haben Sie meinen Brief aus Paris denn nicht erhalten?«
»Nun, nein.«
»Verdammt!« sagte Pierce und entschuldigte sich sogleich für den Ausdruck. »Typisch für die Franzosen«, sagte er; »sie sind absolut unfähig. Wenn ich das nur geahnt hätte, aber ich bin gar nicht auf den Gedanken gekommen … Und als Sie mir dann keine Antwort nach Paris schickten, nahm ich an, Sie seien mir böse …«
»Ich? Böse? Edward, ich versichere Ihnen«, begann sie und brach ab. »Aber wann sind Sie denn zurückgekehrt?«
»Vor drei Tagen erst«, erwiderte Pierce.
»Wie seltsam«, sagte Elizabeth Trent und sah ihn mit einem unweiblichen schlauen Blick an, »vor vierzehn Tagen war Mr. Fowler zum Dinner bei uns und sagte, er habe Sie vor kurzem gesehen.«
»Ich möchte einem Geschäftspartner Ihres Herrn Vaters nicht widersprechen, aber Henry hat die bedauerliche Angewohnheit, alle Daten durcheinanderzubringen. Ich habe ihn seit fast drei Monaten nicht mehr zu Gesicht
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