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Der Grosse Eisenbahnraub: Roman

Der Grosse Eisenbahnraub: Roman

Titel: Der Grosse Eisenbahnraub: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Crichton
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bekommen.« Rasch fügte Pierce hinzu: »Und wie geht es Ihrem Vater?«
    »Meinem Vater? Oh, dem geht’s gut, danke.« Sie blickte plötzlich gekränkt und verwirrt drein. »Edward, ich muß … Mein Vater hat sich, um die Wahrheit zu sagen, wenig schmeichelhaft über Ihren Charakter geäußert.«
    »Ach wirklich?«
    »Ja. Er hat Sie einen Schuft genannt.« Sie seufzte. »Und Schlimmeres.«
    »Das verstehe ich angesichts der leidigen Umstände durchaus, aber …«
    »Aber jetzt«, sagte Elizabeth Trent mit plötzlicher Entschlossenheit, »wo Sie wieder in England sind, sehen wir uns be stimmt wieder öfter bei uns zu Hause.«
    Jetzt war es an Pierce, vernichtet auszusehen. »Meine liebe Elizabeth«, stammelte er. »Ich weiß nicht, wie ich es Ihnen sagen soll …« Damit brach er ab und schüttelte den Kopf. Seine Augen schienen sich mit Tränen zu füllen. »Als ich in Paris nichts von Ihnen hörte, mußte ich natürlich davon ausgehen, daß Sie nichts mehr von mir wissen wollten, und … Nun, die Zeit verging …« Er schien sich einen Ruck zu geben. »Ich bedauere sehr, Ihnen sagen zu müssen, daß ich versprochen bin.«
    Elizabeth Trent starrte ihn mit offenem Mund an.
    »Ja«, sagte Pierce. »Es ist wahr. Ich habe mein Wort gegeben.«
    »Aber wem denn?«
    »Einer französischen Dame.«
    »Einer französischen Dame?«
    »Ja, es ist die Wahrheit, die reine Wahrheit. Ich war verzweifelt und unglücklich, müssen Sie wissen.«
    »Ich weiß schon, Sir«, fauchte sie, machte auf dem Absatz kehrt und entschwand.
    Pierce blieb auf dem Bürgersteig stehen und gab sich Mühe, so geknickt wie möglich auszusehen, bis sie in ihre Kutsche gestiegen und davongerollt war. Dann schlenderte er weiter die Regent Street hinauf.
    Einem Beobachter der Szene wäre aufgefallen, daß in Pierce’ Haltung nichts mehr auf Zerknirschung hindeutete, als er das Ende der Regent Street erreichte. Er nahm eine Droschke zur Windmill Street, wo er ein als Dirnenquartier bekanntes Etablissement betrat, das allerdings in dem Ruf stand, zu den besseren Häusern dieser Art zu gehören.
    In der mit Samt üppig dekorierten Eingangshalle empfing ihn Miss Miriam mit den Worten: »Er ist oben. Dritte Tür rechts.« Pierce ging hinauf und betrat ein Zimmer, in dem er Agar
    vorfand, der in einem Sessel lümmelte und Pfefferminz kaute.
    »Recht spät«, sagte Agar. »Ärger gehabt?«
    »Ich habe eine Bekannte getroffen.« Agar nickte.
    »Was haben Sie gesehen?« fragte Pierce.
    »Ich habe zwei gekneißt«, sagte Agar. »Beide sind Ihnen hübsch auf den Fersen geblieben. Einer war ein verkleideter Greifer, der andere hatte sich als Stutzer aufgetakelt. Sind Ihnen die ganze Harleigh Road gefolgt und haben auch ‘ne Droschke genommen wie Sie.«
    Pierce nickte. »Die beiden habe ich in der Regent Street gesehen.«
    »Lungern jetzt bestimmt unten rum«, sagte Agar. »Wie geht’s Willy?«
    »Willy scheint die Fronten gewechselt zu haben«, sagte Pierce.
    »Hat bestimmt geredet.« Pierce zuckte die Achseln.
    »Und was soll jetzt mit Willy geschehen?«
    »Er kriegt das, was jeder, der lampt, verdient.«
    »Umpusten«, sagte Agar.
    »Ich weiß nicht«, sagte Pierce, »aber jedenfalls wird er keine Gelegenheit mehr haben, zu schwatzen.«
    »Und was ist mit den Greifern?«
    »Im Augenblick nichts«, erwiderte Pierce. »Ich muß ein bißchen nachdenken.« Damit lehnte er sich zurück, steckte sich eine Zigarre an und paffte schweigend vor sich hin.
    Es waren nur noch fünf Tage bis zu dem geplanten Raub, und die Polizei war hinter ihm her. Falls Willy gesungen hatte, dann wußte die Polizei jetzt, daß Pierce’ Bande in den London-Bridge-Bahnhof eingebrochen war.
    »Ich muß mir was Neues ausdenken«, sagte er und starrte an die Decke. »Wir müssen der Polente einen Knochen hinwerfen, damit sie was zu beißen hat.« Er sah dem aufsteigenden Zigarrenrauch nach und runzelte die Stirn.

Scotland Yard k riegt Wind von der Sache
    Alle Institutionen einer Gesellschaft stehen miteinander in Wechselbeziehungen, selbst dann, wenn sie einander völlig entgegengesetzte Ziele zu verfolgen scheinen. Gladstone notierte einmal: »Dieses von Zufällen bestimmte, verwirrende Leben bringt es mit sich, daß Personen, Organisationen, ja sogar Staaten einander bekämpfen und verdammen, die durch enge Bande, von denen sie nichts ahnen, miteinander verknüpft sind.«
    Das vielleicht berühmteste Beispiel für diese These – und die Zeitgenossen waren sich dessen wohl bewußt – war

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