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Der Grosse Eisenbahnraub: Roman

Der Grosse Eisenbahnraub: Roman

Titel: Der Grosse Eisenbahnraub: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Crichton
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wurden. Dann wurden die Safes wieder zugeschlossen.
    Der Vertreter der Bank nahm seine Schlüssel und ging. McPhersons Onkel steckte seine Schlüssel in die Tasche und trat auf seinen Neffen zu.
    »Paß heute nur gut auf«, sagte er. »Mach alles auf, das groß genug ist, daß sich jemand drin verstecken könnte. Und keine Ausnahmen!« Er schnupperte. »Was stinkt denn hier so entsetzlich?«
    Der Neffe nickte über die Schulter zu dem Mädchen und dem Sarg hin. Es war ein bejammernswerter Anblick, aber das Stirnrunzeln des Onkels verriet keine Spur von Mitgefühl.
    »Geht mit dem Morgenzug ab, was?«
    »Ja, Onkel.«
    »Dann sieh zu, daß du ihn aufmachst«, sagte der Fahrdienstleiter und wandte sich zum Gehen.
    »Aber Onkel …« begann McPherson, der schon meinte, er würde die frisch gewonnene Zuneigung des Mädchens verlieren, wenn er auf einer solchen Roheit bestand.
    Der Fahrdienstleiter blieb stehen. »Hast du nicht den Schneid dazu? Mein Gott, du bist vielleicht zimperlich.« Er blickte prüfend in das verzweifelte Gesicht des jungen Mannes und deutete dessen Unbehagen falsch. »Na schön, ich bin dem Tod nahe genug, mir macht das nichts aus. Ich werde das selbst erledigen.« Damit ging der Fahrdienstleiter zu dem weinenden Mädchen hinüber. McPherson trottete zögernd hinterher.
    In genau diesem Augenblick ertönte ein schauriger Laut: das Läuten von Mr. Batesons patentierter Glocke.
    Später, vor Gericht, erläuterte Pierce seine diesem Plan zugrunde liegenden Überlegungen. »Jeder Wachmann lauert gespannt auf das Eintreten bestimmter Ereignisse, die er jeden Augenblick erwartet und für die er sich bereithält. Ich wußte, daß der Wachmann der Bahn den Verdacht hatte, jemand könne einen Mann in den Packwagen schmuggeln. Nun, ein aufmerksamer Wachmann weiß zwar, daß sich in einem Sarg leicht jemand verstecken läßt, doch er wird nicht damit rechnen, daß es geschieht, da der Trick zu simpel ist. Er wäre zu naheliegend.
    Er wird sich daher gleichwohl fragen, ob der Leichnam wirklich echt ist, und wenn es ein pflichtbewußter Wachmann ist, wird er den Sarg öffnen lassen und einige Augenblicke damit verbringen, sich davon zu überzeugen, daß es sich tatsächlich um eine Leiche handelt. Er wird vielleicht nach dem Puls tasten oder sich vergewissern, daß die Haut kalt ist, unter Umständen sogar mit einer Nadel in den Körper stechen. Eine solche Untersuchung würde niemand unentdeckt überstehen.
    Aber wie völlig anders verhält es sich, wenn jeder glaubt, der Mensch in dem Sarg sei nicht tot, sondern lebe noch und sei fälschlicherweise in den Sarg gebettet worden. Jetzt kehren sich alle Gefühle um. Das Mißtrauen ist verschwunden, und jeder hofft, der Mensch sei noch am Leben. Der Sarg wird nicht mit getragenem Ernst und voller Ehrfurcht geöffnet, sondern man stürzt hinzu, um ihn in aller Eile aufzubrechen, und die Angehörigen beteiligen sich bereitwillig an dieser Prozedur – ein sicherer Beweis dafür, daß es nichts zu verbergen gibt.
    Und wenn dann der Deckel geöffnet wird und die verwesenden Überreste ans Licht kommen, wie völlig anders ist da die Reaktion der Anwesenden. Ihre verzweifelten Hoffnungen sind mit einem Schlage zunichte; die grausame und schaurige Wahrheit enthüllt sich schon beim ersten Hinsehen und macht keine langwierige Untersuchung erforderlich. Die Angehörigen sind bitter enttäuscht und werden von wildem Schmerz ergriffen. Schnell wird der Deckel wieder geschlossen – und das alles nur infolge der umgekehrten Erwartungen. So ist nun einmal die menschliche Natur.«
    Beim Läuten der Glocke, die nur einmal kurz anschlug, ließ das schluchzende Mädchen einen Aufschrei hören.
    Der Fahrdienstleiter und sein Neffe liefen rasch auf den Sarg zu.
    Das Mädchen stürzte sich hysterisch auf den Sarg und versuchte vergeblich, ihn mit bloßen Händen zu öffnen.
    »Oh, mein lieber Bruder … Oh, Richard, lieber Richard … O mein Gott, er lebt …« Ihre Finger, die an dem Deckel kratzten, versetzten den Sarg so in Bewegung, daß die Glocke jetzt unentwegt läutete.
    Der Fahrdienstleiter und sein Neffe ließen sich von der erregten Besorgtheit des Mädchens anstecken, gingen aber mit mehr Verstand vor. Der Deckel war mit einer Reihe von Schnappriegeln verschlossen, die sie jetzt nacheinander öffneten. In der Hitze des Gefechts muß es beiden Männern entgangen sein, daß dieser Sarg mit dreimal soviel Schnappriegeln versehen war wie jeder andere. Das Öffnen des Sarges

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