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Der große Gatsby (German Edition)

Der große Gatsby (German Edition)

Titel: Der große Gatsby (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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Ewing? Alter Knabe?«
    »Ich spiele nicht gut. Ich spiele – eigentlich fast nie. Ich bin ganz aus der Üb–«
    »Lasst uns runtergehen«, unterbrach ihn Gatsby. Er legte einen Schalter um. Die grauen Fenster verschwanden, und das Haus füllte sich mit strahlendem Licht.
    Im Musikzimmer knipste Gatsby eine einzelne Lampe neben dem Klavier an. Er gab Daisy mit zitterndem Streichholz Feuer und führte sie zu einem Sofa am anderen Ende des Raums, wo kein Licht war außer dem Schimmer, den der glänzende Fußboden von der Halle hereinwarf.
    Nachdem Klipspringer The Love Nest gespielt hatte, drehte er sich auf dem Klavierhocker herum und spähte unglücklich ins Halbdunkel, wo er Gatsby auszumachen versuchte.
    »Ich bin ganz aus der Übung. Ich habe Ihnen ja gesagt, dass ich nicht spielen kann. Ich bin ganz aus der Üb–«
    »Reden Sie nicht so viel, alter Knabe«, befahl Gatsby. »Spielen Sie!«
In the morning,
in the evening
Ain’t we got fun…
    Draußen blies laut der Wind, und ferner Donner rollte über den Sund. In West Egg gingen alle Lichter an; die elektrischen Züge mit ihrer Menschenfracht stampften von New York durch den Regen nach Hause. Es war die Stunde eines tiefgreifenden menschlichen Wandels, und die Atmosphäre lud sich mit freudiger Erregung auf.
One thing’s sure and nothing’s surer
The rich get richer and the poor get – children.
In the meantime,
In between time – –
    Irgendwann ging ich zu den beiden hinüber, um mich zu verabschieden, und sah, dass der Ausdruck von Verwirrung in Gatsbys Gesicht zurückgekehrt war, als ob er leise an dem Glück, das er empfand, zu zweifeln begänne. Nahezu fünf Jahre! Selbst an jenem Nachmittag muss es Augenblicke gegeben haben, in denen Daisy hinter seine Träume zurückfiel – nicht durch ihre Schuld, sondern weil seine Illusion so kolossal lebendig gewesen war. Sie ging über Daisy, ja eigentlich über alles hinaus. Er hatte sich ihr voll schöpferischer Leidenschaft anheimgegeben und immer noch etwas hinzugefügt, sie mit jeder leuchtenden Feder ausgeschmückt, die ihm über den Weg schwebte. Kein Feuer und kein noch so frischer Wind vermag es mit dem aufzunehmen, was ein Mann in seinem gespenstischen Herzen bewahrt.
    Während ich ihn beobachtete, nahm er sich sichtlich ein wenig zusammen. Seine Hand griff nach der ihren, und als sie ihm leise etwas ins Ohr flüsterte, wandte er sich in einer Gefühlsaufwallung zu ihr hin. Ich glaube, es war vor allem die changierende, fiebrige Wärme dieser Stimme, die ihn fesselte, weil kein Traum sie übertraf – diese Stimme war ein unsterbliches Lied.
    Sie hatten mich vergessen, aber Daisy blickte auf und reichte mir die Hand; Gatsby kannte mich jetzt gar nicht mehr. Ich schaute sie noch einmal an, und sie erwiderten entrückt meinen Blick, ganz von intensivem Leben erfüllt. Ich ging aus dem Zimmer, lief die Marmortreppe hinunter in den Regen und ließ die beiden dort miteinander allein.

6
     
    Etwa um diese Zeit stand eines Morgens ein junger Reporter aus New York vor Gatsbys Tür und fragte ihn, ob er etwas zu sagen habe.
    »Etwas zu sagen – wozu denn?«, erkundigte Gatsby sich höflich.
    »Na ja – haben Sie keine Erklärung abzugeben?«
    Nach fünfminütigem Hin und Her sickerte durch, dass der Mann in der Redaktion Gatsbys Namen hatte fallen hören, den genauen Zusammenhang aber entweder nicht offenlegen wollte oder nicht gänzlich verstand. Dies war sein freier Tag, und er hatte sich mit lobenswertem Eifer auf den Weg gemacht, um zu »recherchieren«.
    Es war ein Schuss ins Blaue, aber der Reporter hatte den richtigen Instinkt gehabt. Dank jenen Hunderten, die Gatsbys Gastfreundschaft genossen hatten und sich folglich bestens in seiner Vergangenheit auskannten, war Gatsbys Ruf über den Sommer immer schlechter geworden, bis er fast eine Nachricht wert war. Legenden wie die von der »unterirdischen Alkohol-Pipeline nach Kanada« verknüpften sich mit seiner Person, und einem besonders hartnäckigen Gerücht zufolge wohnte er gar nicht in einem Haus, sondern in einem Schiff, das wie ein Haus aussah und heimlich die Küste Long Islands hinauf- und herunterschipperte. Warum diese Märchen für James Gatz aus North Dakota eine Quelle der Genugtuung waren, ist nicht ganz leicht zu beantworten.
    James Gatz – so lautete sein eigentlicher oder zumindest sein gesetzlicher Name. Er hatte ihn mit siebzehn Jahren und just in dem Moment, der den Beginn seiner Karriere markierte, geändert – und zwar,

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