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Der große Gatsby (German Edition)

Der große Gatsby (German Edition)

Titel: Der große Gatsby (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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mir war, flüsterte er: »Lass uns gehen.«
    Selbstbewusst bahnte Tom uns mit seinen starken Ellbogen einen Weg durch die immer noch anwachsende Menge, wobei wir einem gehetzten Arzt ausweichen mussten, den man eine halbe Stunde zuvor in wilder Hoffnung gerufen hatte.
    Tom fuhr langsam, bis wir die Biegung hinter uns gelassen hatten – dann trat er fest aufs Gaspedal, und das Coupé raste durch die Nacht. Nach einer Weile hörte ich ein leises, heiseres Schluchzen und sah Tränen über sein Gesicht strömen.
    »Dieser gottverdammte Feigling!«, wimmerte er. »Nicht mal angehalten hat er!«
    Das Haus der Buchanans trieb plötzlich durch die dunklen, raschelnden Bäume auf uns zu. Tom parkte neben der Veranda und spähte zum ersten Stock hinauf, wo zwei Fenster zwischen den Weinranken in hellem Licht erstrahlten.
    »Daisy ist zu Hause«, sagte er. Als wir ausstiegen, schaute er zu mir und runzelte ein wenig die Stirn.
    »Ich hätte dich in West Egg absetzen sollen, Nick. Heute Nacht können wir ja doch nichts mehr tun.«
    Eine Veränderung war mit ihm vorgegangen, und er sprach ernst und mit großer Bestimmtheit. Als wir über den mondbeschienenen Weg zur Veranda gingen, verfügte er mit ein paar raschen Sätzen über die Situation.
    »Ich rufe dir ein Taxi, und in der Zwischenzeit geht ihr zwei am besten in die Küche und lasst euch etwas zu essen geben – wenn ihr wollt.« Er öffnete die Tür. »Kommt rein.«
    »Nein, danke. Aber ich wäre froh, wenn du mir ein Taxi bestellen würdest. Ich warte hier draußen.«
    Jordan legte mir eine Hand auf den Arm.
    »Willst du nicht mit reinkommen, Nick?«
    »Nein, danke.«
    Mir war ein wenig unwohl, und ich wollte allein sein. Aber Jordan zögerte noch einen Moment.
    »Es ist erst halb zehn«, sagte sie.
    Der Teufel sollte mich holen, wenn ich mit hineinging; ich hatte für heute genug von ihnen allen, und das schloss auf einmal auch Jordan ein. Sie sah es mir wohl am Gesicht an, denn sie drehte sich abrupt um, lief die Verandatreppe hinauf und verschwand im Haus. Ich setzte mich einen Augenblick hin und stützte den Kopf in die Hände, bis ich hörte, wie drinnen der Telefonhörer abgenommen wurde und die Stimme des Butlers ein Taxi bestellte. In der Absicht, vorne am Tor zu warten, ging ich langsam die Einfahrt hinunter.
    Ich war kaum zwanzig Meter weit gekommen, als plötzlich jemand meinen Namen sagte und Gatsby zwischen zwei Sträuchern hervortrat. Ich muss inzwischen in einer ziemlich sonderbaren Gemütsverfassung gewesen sein, denn mir fiel lediglich auf, wie stark sein grellrosa Jackett im Mondschein leuchtete.
    »Was machen Sie da?«, fragte ich ihn.
    »Ich stehe hier bloß, alter Knabe.«
    Das schien mir irgendwie keine anständige Beschäftigung zu sein. Woher sollte ich wissen, ob er nicht gleich das Haus ausrauben würde; es hätte mich nicht gewundert, wenn hinter ihm im dunklen Gesträuch finstere Gesichter, die Gesichter von »Wolfshiems Leuten«, aufgetaucht wären.
    »Haben Sie auf der Straße irgendwas gesehen?«, fragte er nach einer Weile.
    »Ja.«
    Er zögerte.
    »Ist sie tot?«
    »Ja.«
    »Das dachte ich mir; und das habe ich Daisy auch sofort gesagt. Besser, man sieht der Wahrheit gleich voll ins Gesicht. Sie hat es ziemlich gut aufgenommen.«
    Er tat, als wäre Daisys Reaktion das Einzige, was zählte.
    »Ich bin auf einer Nebenstraße nach West Egg gekommen«, fuhr er fort, »und habe das Auto in meiner Garage abgestellt. Ich glaube nicht, dass uns jemand gesehen hat, aber beschwören kann ich das natürlich nicht.«
    Ich empfand inzwischen solche Abneigung gegen ihn, dass ich es nicht nötig fand, ihm zu sagen, dass er sich täuschte.
    »Wer war die Frau?«, fragte er.
    »Sie heißt Wilson. Ihrem Mann gehört die Werkstatt. Wie zum Teufel ist das passiert?«
    »Nun, ich habe noch versucht, das Steuer herumzureißen –« Er brach ab, und mit einem Schlag wusste ich Bescheid.
    »Ist Daisy gefahren?«
    »Ja«, antwortete er nach kurzem Zögern, »aber ich werde natürlich alles auf mich nehmen. Wissen Sie, als wir in New York aufbrachen, war sie ziemlich außer sich und dachte, es würde sie beruhigen, zu fahren – und diese Frau rannte uns direkt vors Auto, als uns gerade ein anderer Wagen entgegenkam. Es ging alles blitzschnell, aber ich hatte den Eindruck, als wollte sie mit uns sprechen, ja, als glaubte sie uns zu kennen. Zuerst wollte Daisy der Frau ausweichen und steuerte auf das andere Auto zu, aber dann verlor sie die Nerven und riss das

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