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Der große Gatsby (German Edition)

Der große Gatsby (German Edition)

Titel: Der große Gatsby (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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viel Jugend und Zauber, die der Reichtum in sich einsperrt und erhält, von der Frische der vielen Kleider und von Daisy, die sich, glänzend wie Silber, in sicherer und stolzer Entfernung von den hitzigen Kämpfen der Armen befand.
    »Ich kann Ihnen mein Erstaunen nicht beschreiben, als ich merkte, dass ich sie liebte, alter Knabe. Eine Zeitlang hoffte ich sogar, sie würde mir den Laufpass geben, doch das tat sie nicht, denn sie war auch in mich verliebt. Sie glaubte, ich wisse viel, weil ich andere Dinge wusste als sie… Tja, da war ich nun, weit von meinen ehrgeizigen Zielen entfernt, mit jeder Minute schwerer verliebt, und auf einmal war mir das einerlei. Warum große Taten vollbringen, wenn es doch schöner war, ihr zu erzählen, welch große Taten ich noch vollbringen würde?«
    Am Nachmittag, bevor er nach Europa ging, saßen Daisy und er lange beieinander, und er hielt sie still in seinen Armen. Es war ein kalter Herbsttag, ein Feuer brannte im Zimmer, und ihre Wangen waren gerötet. Ab und zu regte sie sich, und er bewegte sacht seinen Arm, und einmal küsste er sie auf ihr dunkles, schimmerndes Haar. Der Nachmittag hatte ihnen für eine Weile Ruhe geschenkt, wie um ihnen für die lange Trennung, die vor ihnen lag, eine starke, bleibende Erinnerung mitzugeben. Sie waren sich in dem Monat ihrer Liebe nie näher gewesen, hatten nie tiefer übereingestimmt als jetzt, da sie mit stummen Lippen seinen Ärmel streifte oder er ihre Fingerkuppen berührte, so sanft, als schliefe sie.
    Im Krieg bewährte er sich ausgezeichnet. Er ging als Hauptmann an die Front, wurde nach der Schlacht in den Argonnen zum Major befördert und erhielt das Kommando über die Maschinengewehrabteilung der Division. Nach dem Waffenstillstand versuchte er verzweifelt heimzukehren, doch aufgrund einer Komplikation oder eines Missverständnisses landete er in Oxford. Jetzt machte er sich Sorgen, denn in Daisys Briefen klang eine gewisse bange Verzweiflung an. Sie verstand nicht, warum er nicht kommen konnte. Um dem Druck der Außenwelt standzuhalten, wollte sie Gatsby sehen, wollte seine Gegenwart neben sich spüren und sich vergewissern, dass sie sich wirklich richtig entschieden hatte.
    Denn Daisy war jung, und ihre künstliche Welt duftete nach Orchideen und lässigem, heiterem Snobismus und Orchestern, die den Rhythmus des Jahres vorgaben und in neuen Melodien die Traurigkeit und Tiefgründigkeit des Lebens anklingen ließen. Nächtelang heulten die Saxophone den wehmutsvollen Beale Street Blues, während Hunderte von goldenen und silbernen Slippern den schimmernden Staub umherschoben. Wenn die graue Teestunde anbrach, gab es immer Räume, die unentwegt in diesem leichten, süßen Fieber erschauerten, und frische Gesichter wurden hierhin und dorthin geweht wie von traurigen Hörnern über den Boden geblasene Rosenblüten.
    Im Zwielicht dieser Welt bewegte sich Daisy allmählich wieder im Takt der Jahreszeit; plötzlich hatte sie wieder jeden Tag ein halbes Dutzend Rendezvous mit einem halben Dutzend Männern und schlummerte im Morgengrauen ein, auf dem Boden neben ihrem Bett die Perlen und Rüschen einer Abendrobe, die sie achtlos zwischen sterbende Orchideen geworfen hatte. Und die ganze Zeit über schrie etwas in ihr nach einer Entscheidung. Sie wollte, dass ihr Leben eine Gestalt bekam, sofort, und die Entscheidung musste durch irgendeine greifbare Macht – der Liebe, des Geldes, der unzweifelhaften Zweckmäßigkeit – herbeigeführt werden.
    Eine solche Macht nahm mitten im Frühling Gestalt an, als Tom Buchanan auf der Bildfläche erschien. Seine Person und seine Stellung hatten etwas wohltuend Wuchtiges, und Daisy war geschmeichelt. Vermutlich gab es ein gewisses Ringen und eine gewisse Erleichterung. Der Brief erreichte Gatsby, noch während er in Oxford war.
    Auf Long Island dämmerte es jetzt. Wir machten uns daran, die übrigen Fenster im Erdgeschoss zu öffnen, und füllten das Haus mit zuerst grau, dann golden werdendem Licht. Der Schatten eines Baums fiel jäh über den Tau, und Geistervögel begannen zwischen den blauen Blättern zu singen. Ein leichtes, angenehmes Lüftchen, kaum Wind zu nennen, versprach einen kühlen, herrlichen Tag.
    »Ich glaube nicht, dass sie ihn je geliebt hat.« Gatsby wandte sich von einem Fenster zu mir um und schaute mich herausfordernd an. »Sie müssen bedenken, alter Knabe, wie aufgeregt sie den ganzen Nachmittag war. Er erzählte ihr all diese Dinge auf eine Weise, dass sie es mit der

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