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Der große Gatsby (German Edition)

Der große Gatsby (German Edition)

Titel: Der große Gatsby (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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reden. Er werde schon rauskriegen, wem der gelbe Wagen gehöre, verkündete er, und dann stieß er hervor, dass seine Frau ein paar Monate zuvor mit einem blauen Auge und geschwollener Nase aus der Stadt nach Hause gekommen sei.
    Doch sobald er sich dies hatte sagen hören, zuckte er zusammen und fing aufs Neue zu stöhnen an. »O mein Gott!« Michaelis machte einen unbeholfenen Versuch, ihn abzulenken.
    »Wie lange sind Sie schon verheiratet, George? Kommen Sie, versuchen Sie eine Minute stillzusitzen und meine Frage zu beantworten. Wie lange sind Sie schon verheiratet?«
    »Seit zwölf Jahren.«
    »Je Kinder gehabt? Los, George, sitzen Sie still – ich hab Sie was gefragt. Haben Sie je Kinder gehabt?«
    Harte braune Käfer prallten in einem fort gegen die trübe Glühbirne, und jedes draußen auf der Straße vorbeirasende Auto klang für Michaelis wie der Wagen, der ein paar Stunden zuvor nicht angehalten hatte. Er mochte nicht in die Werkstatt gehen, weil dort, wo der Leichnam gelegen hatte, Flecken auf der Werkbank waren, also lief er nervös im Büro hin und her – ehe der Morgen anbrach, kannte er jeden einzelnen Gegenstand im Raum –, und ab und zu setzte er sich neben Wilson und versuchte ihn zu beruhigen.
    »Gibt’s nicht vielleicht eine Kirche, wo Sie manchmal hingehen, George? Auch wenn Sie lange nicht mehr da waren? Vielleicht könnte ich da anrufen und einen Pfarrer bitten, dass er herkommt und mit Ihnen redet, verstehen Sie?«
    »Bin in keiner Kirche.«
    »Sie brauchen aber eine, für Zeiten wie diese. Sie sind doch sicher früher mal zur Kirche gegangen. Sind Sie nicht kirchlich getraut worden?«
    »Das ist lange her.«
    Die Anstrengung, die das Antworten ihn kostete, brachte ihn aus dem Schaukelrhythmus, und er schwieg einen Moment lang. Dann trat wieder jener halb wissende, halb irre Blick in seine trüben Augen.
    »Schauen Sie in die Schublade da«, sagte er und zeigte auf den Schreibtisch.
    »In welche?«
    »In diese Schublade – die da.«
    Michaelis öffnete die Schublade, die ihm am nächsten war. Es war nichts darin außer einer kleinen, teuren Hundeleine aus Leder und geflochtenem Silber. Sie war offensichtlich neu.
    »Die?«, fragte er und hielt sie hoch.
    Wilson starrte darauf und nickte.
    »Die hab ich gestern Nachmittag gefunden. Sie wollte mir das irgendwie erklären, aber ich wusste gleich, dass da was faul war.«
    »Sie meinen, Ihre Frau hat die Leine gekauft?«
    »Jedenfalls lag das Ding in Seidenpapier gewickelt auf ihrem Sekretär.«
    Michaelis konnte nichts Merkwürdiges daran finden, und er nannte Wilson ein Dutzend Gründe, warum seine Frau die Hundeleine gekauft haben mochte. Doch Wilson hatte ein paar dieser Erklärungen vermutlich schon einmal von Myrtle gehört, denn er fing wieder an, »O mein Gott!« zu flüstern – und sein Tröster sah vom Aufzählen weiterer Gründe ab.
    »Dann hat er sie umgebracht«, sagte Wilson. Plötzlich blieb ihm der Mund offen stehen.
    »Wer?«
    »Das kriege ich noch raus.«
    »Sie sind krank, George«, sagte sein Freund. »Die Sache hat Sie sehr mitgenommen, und Sie wissen nicht, was Sie reden. Versuchen Sie einfach, ganz ruhig hier zu sitzen, bis es Morgen wird.«
    »Er hat sie ermordet.«
    »Es war ein Unfall, George.«
    Wilson schüttelte den Kopf. Er kniff die Augen zusammen, und sein Mund dehnte sich ein wenig über einem kaum hörbaren, überlegenen »Hm!«.
    »Ich weiß es«, sagte er entschieden. »Ich bin eigentlich ein gutgläubiger Kerl und will niemandem was Böses, aber wenn ich was weiß, dann weiß ich’s. Es war der Mann in dem Auto. Sie ist auf die Straße gelaufen, um mit ihm zu sprechen, und er hat einfach nicht angehalten.«
    Das hatte Michaelis auch gesehen, aber er war nicht auf die Idee gekommen, dass es eine besondere Bedeutung haben könnte. Er glaubte, dass Mrs. Wilson vor ihrem Mann davongelaufen war, und nicht, dass sie ein bestimmtes Auto anzuhalten versucht hatte.
    »Warum hätte sie das tun sollen?«
    »Bei ihr weiß man nie«, sagte Wilson, als beantwortete das die Frage. »A-a-ch…«
    Er fing wieder an zu schaukeln, und Michaelis stand da und drehte die Leine in der Hand.
    »Haben Sie vielleicht einen Freund, den ich anrufen könnte, George?«
    Das war eine vergebliche Hoffnung – er hätte wetten können, dass Wilson keinen Freund hatte: Er reichte ja nicht einmal für seine Frau. Erleichtert nahm Michaelis wenig später eine Veränderung im Zimmer wahr, einen bläulichen Schimmer am Fenster, der die

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