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Der große Gatsby (German Edition)

Der große Gatsby (German Edition)

Titel: Der große Gatsby (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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armseliger Geister, die ziellos umherdrifteten, während sie Träume schöpften wie Atem… zum Beispiel jene aschgraue, phantastische Gestalt, die durch die unförmigen Bäume auf ihn zugeschwebt kam.
    Der Chauffeur – einer von Wolfshiems Schützlingen – hörte die Schüsse; später konnte er nur sagen, er habe sich nichts weiter dabei gedacht. Ich fuhr vom Bahnhof direkt zu Gatsbys Haus, und erst als ich in großer Sorge die Treppe zur Haustür hinaufstürmte, zeigte sich dort überhaupt jemand alarmiert. Aber sie wussten es, davon bin ich fest überzeugt. Beinahe wortlos eilten wir, der Chauffeur, der Butler, der Gärtner und ich, zu viert hinunter zum Pool.
    Ein frisch herausströmender Strahl, der von der einen Seite zum Abfluss auf der anderen drängte, bewegte das Wasser sacht, fast unmerklich. Winzige Wellen trieben die beladene Matratze mal hierhin, mal dorthin. Ein kleiner Windstoß, der kaum die Oberfläche kräuselte, genügte, um den zufälligen Kurs der Matratze mit ihrer zufälligen Last zu stören. Als sie an ein paar Blätter stieß, drehte sie sich langsam um sich selbst und zeichnete wie der Schenkel eines Zirkels einen dünnen roten Kreis ins Wasser.
    Erst als wir uns mit Gatsby auf den Weg zum Haus machten, sah der Gärtner ein Stück weiter oben Wilsons Leiche im Gras liegen, und das Massaker war perfekt.

9
     
    Wenn ich heute, nach zwei Jahren, an den Rest jenes Tages und den Abend und den folgenden Tag zurückdenke, sehe ich ein einziges endloses Defilee von Polizisten und Fotografen und Journalisten vor mir, die zu Gatsbys Haustür hinein- und wieder herausmarschierten. Vor dem Eingangstor war ein Seil gespannt, und ein Polizist hielt die Schaulustigen zurück, doch die kleinen Jungen hatten schnell entdeckt, dass sie auch durch meinen Garten hineingelangen konnten, und so standen immer ein paar von ihnen beieinander unten am Pool und gafften. Ein entschlossen auftretender Mensch, vielleicht ein Detektiv, gebrauchte den Ausdruck »Wahnsinniger«, als er sich an jenem Nachmittag über Wilsons Leiche beugte, und die zufällige Autorität seiner Stimme prägte den Ton der Zeitungsberichte am nächsten Morgen.
    Die meisten dieser Berichte waren Schauermärchen – absurd, ausufernd, aufgeregt und falsch. Als Michaelis’ Zeugenaussage ans Licht brachte, welchen Verdacht Wilson gegen seine Frau hegte, fürchtete ich, die ganze Sache würde binnen kurzem zu einer schlüpfrigen Skandalgeschichte aufbereitet werden – doch Catherine, die alles Mögliche hätte sagen können, sagte kein Wort. Sie bewies überhaupt erstaunlich viel Charakter – schaute dem Untersuchungsrichter unter ihren korrigierten Brauen hervor fest in die Augen und schwor, dass ihre Schwester sich nie mit Gatsby getroffen habe, dass ihre Schwester vollkommen glücklich mit ihrem Mann gewesen sei, dass ihre Schwester nichts Unrechtes getan habe. Sie glaubte es schließlich selbst und weinte in ihr Taschentuch, als wäre der bloße Verdacht mehr, als sie ertragen könne. Und so wurde von Wilson am Ende gesagt, er sei wohl »vor Kummer verrückt geworden«, damit der Fall mit der denkbar einfachsten Erklärung abgeschlossen werden konnte. Und dabei ließ man es bewenden.
    Doch dieser Teil der Geschichte berührte mich kaum und schien ohne Belang. Ich fand mich auf Gatsbys Seite wieder, und zwar allein. Seit ich in West Egg Village angerufen und die Nachricht von der Katastrophe verkündet hatte, wurde jede Vermutung über ihn und jede praktische Frage mit mir erörtert. Zuerst war ich überrascht und verwirrt; doch als er Stunde um Stunde in seinem Haus lag und sich weder bewegte noch atmete noch sprach, begriff ich allmählich, dass ich verantwortlich war, weil sonst niemand Anteil nahm – und ich meine damit jene intensive persönliche Anteilnahme, auf die am Ende jeder Mensch ein gewisses Anrecht hat.
    Eine halbe Stunde nachdem wir ihn gefunden hatten, rief ich instinktiv und ohne zu zögern Daisy an. Doch sie und Tom waren am frühen Nachmittag weggefahren und hatten Gepäck mitgenommen.
    »Haben sie keine Adresse hinterlassen?«
    »Nein.«
    »Oder gesagt, wann sie wiederkommen?«
    »Nein.«
    »Irgendeine Vermutung, wo sie sein könnten? Wie ich sie erreichen könnte?«
    »Ich weiß es nicht. Keine Ahnung.«
    Ich wollte jemanden holen, der ihm beistand. Ich wollte in das Zimmer gehen, wo er lag, und ihm sagen: »Ich hole Ihnen jemanden, Gatsby. Seien Sie unbesorgt. Vertrauen Sie mir einfach, ich hole jemanden…«
    Meyer

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