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Der große Schlaf

Der große Schlaf

Titel: Der große Schlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Chandler
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und saß und saß. Vom Dach tröpfelte es auf meine Knie, mein Magen brannte vom Whisky. Kein Wagen kam mehr den Berg herauf. Kein Licht ging an im Haus, vor dem ich parkte. Eine hübsche Gegend, schien mir, für schlechte Gewohnheiten.
    Um sieben Uhr zwanzig brach, wie das Zucken eines Sommerblitzes, ein einziger Strahl harten, weißen Lichts aus Geigers Haus. Als die Dunkelheit es wieder einhüllte und verschlang, echote ein dünner, heller Schrei heraus und verlor sich in den regendurchtränkten Bäumen. Ich war aus dem Wagen und schon unterwegs, bevor das Echo erstarb.
    Es war keine Angst in dem Schrei gewesen. Er klang halb nach freudigem Schreck, einem Quentchen Trunkenheit, einer Spur puren Irrsinns. Es war ein widerlicher Schrei. Ich mußte dabei an Männer in Weiß denken, an vergitterte Fenster und harte, schmale Pritschen, an denen lederne Hand- und Fußriemen befestigt waren. In Geigers Schlupfwinkel war es wieder völlig still, als ich die Heckenpforte erreichte und um den Vorsprung wetzte, der die Haustür verbarg. Ein eiserner Ring in einem Löwenmaul diente als Klopfer. Ich griff danach, hatte ihn in der Hand. Genau im selben Moment, so als hätte jemand nur darauf gewartet, dröhnten drei Schüsse im Haus.
    Ich hörte einen Laut, der nach einem langen, rauhen Seufzer klang. Dann ein weicher, plumpsender Fall. Und dann eilige Schritte im Haus – sie gingen weg.
    Vor der Tür lag ein schmaler Gang, ähnlich dem Steg über einem Wasserlauf, der den Graben zwischen Hauswand und Böschung überdeckte. Es gab keine Veranda, keinen festen Boden, keinen Weg, um zur Rückseite zu gelangen. Der Hintereingang befand sich über einer Flucht von Holzstufen, die vom unteren Verlauf der Serpentinenstraßen heraufkamen.
    Ich wußte das, weil ich auf den Stufen Schritte hörte, die treppab trappelten. Dann hörte ich das jähe Aufheulen eines startenden Wagens. Es verlor sich rasch in der Ferne. Ich glaubte noch einen zweiten Wagen zu hören, war aber nicht sicher. Das Haus vor mir lag still wie eine Gruft. Ich hatte keine Eile. Was da drin war, war drin.
    Ich kletterte auf das Geländer am Laufsteg und lehnte mich weitüber zur gardinenverhangenen, doch jalousielosen Glastür und versuchte, durch den Spalt zu gucken, wo die Gardinen zusammenkamen. Ich sah Lampenlicht auf einer Wand und das Ende eines Bücherschranks. Ich sprang zurück auf den Steg und nahm weit von der Hecke aus Anlauf und rammte die Haustür mit der harten Schulter. Das war Blödsinn. So ungefähr der einzige Teil an einem kalifornischen Haus, durch den man keinen Fuß kriegt, ist die Haustür. Das brachte mir nur eine wunde Schulter und einen Wutanfall. Ich kletterte wieder übers Geländer und trat die Glastür ein, benut zte
    meinen Hut als Handschuh und zog das meiste von der unteren kleinen Scheibe heraus. Ich konnte jetzt hineingreifen und den Riegel ziehen, der die Tür an der Schwelle befestigte. Der Rest war leicht. Einen oberen Riegel gab es nicht. Die Tür gab nach.
    Ich stieg hinein und schob mir die Gardinen vom Gesicht.
    Keinen der beiden Menschen im Raum scherte es, wie ich hereinkam, obwohl nur einer von ihnen tot war.

7
    Es war ein weiter Raum, so weit wie das ganze Haus. Er hatte eine niedrige Balkendecke und braune Gipswände, dicht behängt mit chinesischen Stickereien und chinesischen und japanischen Stichen in gemaserten Holzrahmen. Es gab niedrige Bücherregale, es gab einen dicken, rosafarbenen chinesischen Teppich, in dem sich ein Ziesel eine Woche lang hätte verkriechen können, ohne daß seine Nase zum Vorschein gekommen wäre. Da waren Sitzkissen und verstreut umherliegende Seidenreste, als ob der, der hier wohnte, immer so ein Fetzchen in Reichnähe brauchte, um danach grapschen zu können. Da war ein breiter, niedriger Diwan mit antiker Rosen-Tapisserie. Ein Haufen Kleider lag darauf, unter anderem lila Seidenwäsche. Auf einem Sockel stand eine große, geschnitzte Lampe, zwei weitere Stehlampen hatten jadegrüne Schirme und lange Quasten. Da war ein schwarze r Schreibtisch mit geschnitzten Ungeheuern an den Ecken und dahinter ein gelbes Seidenkissen auf einem schwarzpolierten Stuhl mit geschnitzter Arm- und Rückenlehne. Im Raum hing ein komisches Gemisch von Düften, unter denen im Augenblick der beißende Geruch von Schießpulver und das ekelhafte Aroma von Äther hervorstachen. Auf einer Art niedrigem Podium am einen Ende des Raums stand ein hochlehniger Teakholzsessel, darin saß Miss Carmen Sternwood auf

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