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Der große Schlaf

Der große Schlaf

Titel: Der große Schlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Chandler
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fuhr er kalt fort. »Das spielt zwar keine große Rolle. Ich meine jedoch, Sie haben, zweifellos unbeabsichtigt, Vertrauen mißbraucht.«
    Daraufhin schloß er die Augen. Ich sagte: »Ist das alles, weshalb Sie mich sehen wollten?«
    Er schlug die Augen wieder auf, sehr langsam, als seien die Lider aus Blei. »Ich vermute, Sie nehmen mir diese Bemerkung übel«, sagte er.
    Ich schüttelte den Kopf. »Sie sind mir gegenüber im Vorteil, General. Diesen Vorteil sollen Sie meinetwegen gerne haben, ich will ihn nicht. Er bedeutet auch nicht viel, wenn man bedenkt, was für ein Päckchen Sie zu tragen haben. Sie können mir alles ins Gesicht sagen, was Sie nur wollen, ohne daß ich deshalb beleidigt wäre. Ich schlage vor, ich gebe Ihnen Ihr Geld zurück. Vielleicht ist es für Sie ohne Bedeutung. Aber vielleicht bedeutet es für mich etwas mehr.«
    »Was bedeutet es für Sie?«
    »Es bedeutet, daß ich den Lohn für einen Job zurückweise, der nicht zur Zufriedenheit ausgeführt ist. Das ist alles.«
    »Geben Sie oft Anlaß zur Unzufriedenheit?«
    »Gelegentlich. Das passiert jedem.«
    »Warum haben Sie Captain Gregory aufgesucht?« Ich lehnte mich zurück und ließ einen Arm über die Rückenlehne baumeln. Ich studierte sein Gesicht. Es sagte mir nichts. Ich wußte keine Antwort auf seine Frage – keine befriedigende Antwort.
    Ich sagte: »Ich war der Überzeugung, daß Sie mir diese Wechsel von Geiger hauptsächlich versuchsweise vor die Nase gehalten haben und daß Sie ein bißchen Angst hatten, Regan könnte irgendwie mit der Erpressungsgeschichte zu tun haben.
    Ich wußte damals noch gar nichts von Regan. Erst als ich mit Captain Gregory gesprochen hatte, war mir klar, daß Regan aller Wahrscheinlichkeit nach nicht der Typ für so was ist.«
    »Das beantwortet wohl kaum meine Frage.«
    Ich nickte. »Nein. Das tut es wohl kaum. Vermutlich will ich einfach nicht zugeben, daß ich ein bißchen auf den Busch geklopft habe. Am Morgen, als ich hier war und mit Ihnen im Orchideenhaus gesprochen hatte, ließ Mrs. Regan mich zu sich rufen. Sie schien anzunehmen, daß ich den Auftrag hätte, nach ihrem Mann zu suchen, und das schien ihr nicht zu gefallen.
    Sie ließ immerhin die Bemerkung fallen, daß ›sie‹ seinen Wagen in irgendeiner Garage gefunden hätten. Mit ›sie‹ konnte nur die Polizei gemeint sein. Folglich mußte die Polizei etwas davon wissen. Und wenn es so war, dann war das
    Vermißtendezernat die Stelle, die den Fall in der Hand hatte.
    Ich wußte natürlich nicht, ob Sie oder irgend jemand sonst Vermißtenanzeige erstattet hatte oder ob sie den Wagen in der Garage gefunden hatten, weil er ihnen als herrenloses Fahrzeug gemeldet worden war. Aber ich kenne mich mit Polizisten aus, und ich wußte: Wenn sie erst mal so viel hatten, dann hatten sie bald auch mehr – um so schneller, als Ihr Fahrer ja ein Vorstrafenregister besaß. Ich wußte nicht, was sie sonst noch herausgefunden hatten. So kam mir der Gedanke mit dem Vermißtendezernat. Was mich vollends drauf stieß, das war die Art, wie Mr. Wilde sich in der Nacht benahm, als wir drüben in seinem Haus Geigers wegen und so weiter zusammensaßen.
    Wir waren einen Augenblick allein, und da fragte er mich, ob Sie mir gesagt hätten, daß Sie nach Regan suchten. Ich erzählte ihm, Sie hätten mir gesagt, daß Sie gern wüßten, wo er sei und ob es ihm gutgehe. Wilde hat an seiner Lippe geknabbert und komisch geguckt. Da wurde es mir so klar, als ob erś mit Worten gesagt hätte: ›Nach Regan suchen‹ bedeutete für ihn die ganze Polizeimaschinerie auf der Suche nach ihm.
    Daraufhin habe ich mich Captain Gregory gegenüber so verhalten, als ob ich ihm nichts erzählen müßte, was er ohnehin schon wußte.«
    »Und Sie ließen Captain Gregory im Glauben, ich hätte Sie beauftragt, Rusty zu suchen?«
    »Tja. Das habe ich wohl getan – als mir klar war, daß er den Fall hatte.«
    Er schloß die Augen. Sie zuckten ein wenig. Er sprach mit geschlossenen Lidern. »Und halten Sie das für moralisch?«
    »Ja«, sagte ich. »Das tu ich.«
    Die Augen öffneten sich wieder. Ihre durchdringende Schwärze, die so plötzlich aus diesem toten Gesicht kam, wirkte erschreckend. »Vielleicht verstehe ich nicht«, sagte er.
    »Vielleicht nicht. Der Chef des Vermißtendezernats ist kein Schwätzer. Sonst säße er nicht in jenem Büro. Er ist ein sehr smarter und verschwiegener Knabe, der – anfangs sogar mit viel Erfolg – den Eindruck zu erwecken versucht, er sei ein

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