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Der große Schlaf

Der große Schlaf

Titel: Der große Schlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Chandler
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in etwa zehn Minuten. »Dort rein.« Sie lehnte sich aus dem Fenster und deutete hin.
    Es war ein schmaler Feldweg, nicht viel mehr als eine Wagenspur, ähnlich der Abbiegung zu einer Ranch in den Vorbergen. Ein breites Gatter mit fünf Balken lehnte geöffnet gegen einen Baumstumpf und sah aus, als sei es seit Jahren nicht mehr geschlossen worden. Der Weg war von hohen Eukalyptusbäumen gesäumt und tief gefurcht. Er war von Lastwagen benutzt worden. Jetzt lag er leer in der Sonne, aber er war noch nicht staubig. Es hatte ja kürzlich erst heftig geregnet. Ich folgte den Spuren, und der Lärm des Stadtverkehrs wurde schnell ganz merkwürdig schwach, als ob wir gar nicht mehr in einer Stadt wären, sondern weit weg im Land eines Tagtraums. Dann ragte ölverschmiert und reglos der Schwengel eines dicken, hölzernen Bohrturms über die Zweige. Ich konnte das rostige, alte Stahlkabel sehen, das den Bohrschwengel mit einem halben Dutzend anderer verband.
    Die Schwengel bewegten sich nicht, hatten sich sicher seit einem Jahr nicht mehr bewegt. Die Bohrlöcher pumpten nicht mehr. Ein Haufen verrosteter Rohre lag umher, eine Ladeplattform war an einem Ende heruntergesackt, ein halbes Dutzend leerer Öltonnen bildete einen wüsten Stapel. Das abgestandene, ölige Wasser eines alten Gesenks schillerte im Sonnenlicht.
    »Soll das alles noch Park werden?« fragte ich.
    Sie senkte das Kinn und funkelte mich an.
    »Zeit wärś ja. Der Gestank dieser Grube reicht ja, um ńe ganze Ziegenherde zu vergiften. Ist das die Stelle, an die Sie gedacht haben?«
    »Hmhm. Gefälltś Ihnen?«
    »Prächtig.« Ich fuhr an die Ladeplattform heran. Wir stiegen aus. Ich lauschte. Das Summen der Stadt war ein fernes Geräuschegespinst wie von einem Bienenschwarm. Der Ort war verlassen wie ein Friedhof. Sogar nach dem Regen sahen die hohen Eukalyptusbäume staubig aus. Sie sehen immer so aus. Ein Ast, den der Wind abgebrochen hatte, war über den Rand des Gesenks gefallen, und die platten, ledrigen Blatter hingen ins Wasser. Ich lief um den Sumpf herum und sah ins Pumpenhaus. Es lag allerlei Gerümpel darin, hier schien lange niemand mehr gewesen zu sein. Draußen lehnte ein großes, hölzernes Windenrad an der Wand. Der Ort schien völlig in Ordnung zu sein. Ich ging zurück zum Wagen. Das Mädchen stand daneben und richtete ihr Haar und hielt es in die Sonne.
    »Geben Sie her«, sagte sie und streckte die Hand aus.
    Ich zog die Pistole heraus und legte sie in ihren Handteller.
    Ich bückte mich nieder und hob eine verrostete Büchse auf.
    »Nun mal sachte«, sagte ich. »Sie ist mit allen fünfen geladen. Ich geh jetzt da rüber und stell diese Büchse in das viereckige Loch in der Mitte von dem großen Holzrad dort.
    Sehen Sie?« Ich deutete hin. Sie nickte begeistert. »Das sind zirka dreißig Fuß. Fangen Sie nicht an zu schießen, bevor ich wieder bei Ihnen bin. Okay?«
    »Okay«, kicherte sie.
    Ich ging wieder um den Sumpf herum und stellte die Büchse in der Mitte des Windenrads auf. Sie gab ein prima Ziel ab.
    Wenn sie die Büchse verfehlte, was sie bestimmt tun würde, dann würde sie vermutlich doch das Rad treffen. Eine kleine Kugel konnte da auf keinen Fall durchschlagen. Sie traf jedoch nicht einmal das.
    Ich ging wieder um das Gesenk herum auf sie zu. Als ich etwa noch zehn Fuß von ihr entfernt am Rand des Öltümpels war, zeigte sie mir alle ihre scharfen, kleinen Zähne und hob die Pistole und fing an zu zischen.
    Ich stand wie erstarrt, die abgestandene, stinkende Brühe im Rücken.
    »Bleib stehen, du Schweinehund«, sagte sie.
    Die Pistole zielte auf meine Brust. Ihre Hand schien ganz ruhig zu sein. Das Zischen wurde lauter, und ihr Gesicht wirkte wieder wie ein abgeschabter Knochen. Gealtert, verderbt, vertiert, und nicht mal zu einem netten Tierchen.
    Ich lachte. Ich ging auf sie zu. Ich sah, wie ihr dünner Finger sich am Abzug spannte und an der Spitze ganz weiß wurde. Ich war etwa sechs Fuß von ihr entfernt, als sie losballerte. Die Pistole gab einen scharfen Knall, ohne Kraft, ein brüchiges Platzen im Sonnenlicht. Ich sah keinen Rauch. Ich blieb wieder stehen und lachte sie aus.
    Sie feuerte noch zweimal, sehr schnell. Ich war sicher, daß sie kein einziges Mal verfehlt hätte. Es waren fünf Kugeln in der kleinen Pistole. Vier hatte sie abgefeuert. Ich sprang auf sie zu. Ich wollte den letzten Schuß nicht ins Gesicht bekommen, deshalb wich ich zur Seite aus. Sie gabś mir in aller Sorgfalt, völlig unbekümmert. Ich

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