Der große Stier
denn nicht?« Adrianne feuchtete ihre Lippen an. »Wenn das Bild schön ist … wenn das Bild Gott ist …«
»Ich glaube«, unterbrach Paul, »was im Adventuary geschehen ist, beantwortet deine Frage. Denk mal, wie es den Schneekindern gegangen ist. Und das ist erst der Anfang. Über Knowles und seine Freunde brauche ich dir doch wohl nichts mehr zu sagen? Und sieh auf dich selbst, die Weiße Hexe des Nordens … Ist es alles das, was du dir eigentlich wünschst?«
»Der Teufel soll dich holen!« Adrianne schlug auf den seitlichen Rand des Betts. »Und du, Paul Odeon, was hast du denn, das so viel besser ist? Möchtest du, daß alles wieder so wird, wie es vor der Stiermusik war? War das Leben so schön?«
»Nein. Nein, das war es nicht. Vielleicht weiß ich selbst nicht, was ich möchte. Oder vielleicht erinnere ich mich an Fragen, die ein vierzehnjähriges Mädchen mir einmal gestellt hat, oder an den Gin in einer Blumenvase. Zum Kuckuck noch mal, ich weiß nicht, an was ich mich erinnere; aber heute früh hatte ich einen ganz guten Einblick in das, was morgen kommen soll, und der gefällt mir nicht. Und wenn diese Sache in die Zeitungen kommt, vielleicht gefällt er dann auch ein paar anderen Leuten nicht.«
»Du wirst deine Absicht nicht ändern?« Adrianne stand auf und ging auf Pauls Stuhl zu.
»Ich kann es nicht.«
»Dann«, sagte Adrianne, »muß ich dir deine lang ersehnte letzte Wahrheit zeigen …« Sie zog mit beiden Händen an dem Mieder ihres Kleides, riß den Stoff auf, bis sie mit nacktem Oberkörper dastand. Beide Brüste waren mit bläulich-weißen Zeichen bemalt.
»Was tust du?« schrie Paul auf und zuckte zurück.
»Siehst du das?« Sie kam näher auf ihn zu. »Besinnst du dich? Am Atlantis-Schwimmbecken? Hast du die Markierungen auf Magdelaines Brust gesehen?«
»Geh weg, Adrianne!«
»Siehst du dies?« Mit einer Hand hob sie ihre Brust hoch, mit der anderen zog sie Paul dicht heran.
»Es ist … es istLehm! Blauer Lehm!«
»Siehst du, was hier geschrieben steht? Begreifst du es jetzt?« Sie zog seinen Kopf mit Gewalt zwischen ihre Brüste. »Sieh es! Rieche es! Atme es ein! Paul Odeon, du wirst in Stier vollkommen werden!« Paul stieß sie weg und fiel vom Stuhl, sein Kopf schlug auf den eisernen Heizungskörper unter dem Fenster. Er versuchte, sich hochzuziehen, als zwei warme Fleischkugeln sich gegen seine Augen preßten; seine Lungen füllten sich mit Schrecken, als der Fußboden ihm entgegenkam und ihn festhielt.
Es wurde ihm gezeigt. Ein weiter Raum, der sich hinter zitronengelbem Tuch verbarg, verwelkt schwer ausatmend, gesponnen in dem Datum neun elf. Seine Augen fingen an, sich auszuziehen; an der ersten Ecke konnte er den heißen Rand entziffern, der die Dimensionen desHauses und die offene Tür verbarg. Angefeuchtete Spitzen der Gegenwart von gläsernen Flügeltüren. Dunkel. Regen. Tapete. Auf der breiten Straße der helle Sonnenhals aus Silber schräg laufend nackt zu der Nässe, dieich bin. Wandteppiche zu sicher zu schnellfüßig zurückweichend vor dem heißen Atem der drei Buchstaben V, E, R, zu dem schmalen Schieferportal. Ein bellender Hund, das Summen einer Schwester, die tausend Zigaretten raucht. An der Wand heruntersteigend, nicht einmal beim Anstarren der Männer, die zwischen Fenster und Sonne eingeklemmt sind; die silbernen Sterne befühlend; ein einziges Automobil fährt in den Schaum des dicken Glases, die Tür zu der gewaltigen Sekunde öffnend.
Der Fehler, den sie begangen hat, er sieht sie zuerst als bekleidende Dame (eine Maske!), aber schirmte ab und wartete, eilt die Stufen hinter der verschlossenen und verriegelten Tür hinauf, die graue Perücke von Rauch und Brandy Rachel. Nackter Laut von Karten, die feste junge Augen schlagen, zungenfeuchtes Cello innen, kratzend. Sich bewegende Purpurlippen in Lederjacken, grob gewebte Augenbrauen aus schwarzem Bier. Schlüpfrige Reflexionen gestützt und stoßender Laut. Nein! Sich biegender Gummitisch, zurück heben stoßender Stuhl, Pflasterstein Papiere in hart geschluckte Liebkosungen fallend.
Dezember dunkel.
Adrianne-drianne-drianne-drianne.
Sonne Augen verbrannt Umfang.
Kopf.
Licht.
Auf seinen Händen und Knien ruhend, schüttelte Paul den Kopf im Schauer pfefferminzgrünen Lichtes.
Das Fenster war nächtlich dunkel. Seine Lippen fühlten sich pelzig an. Er berührte den Stoppelbart auf seinem Gesicht. Wie lange war er hier gewesen? Welcher Tag war heute?
Er zog sich hoch, ging
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