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Der große Stier

Der große Stier

Titel: Der große Stier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Sanborn
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jetzt geschieht … Wie ich schon sagte, das Andrehen des Lichtes löst seinen Essens-Mechanismus aus …«
    An einem Ende des kleinen Raumes öffnete sich die Tür zu einem Abteil, und ein kleines Kaninchen hüpfte auf das Klavier zu. Es saß und schnüffelte an einem Klavierfuß herum, als die kriechende, spinnenähnliche Gestalt Stiers hinter ihm herankroch und ihre bleistiftdünnen Arme zum Schlag erhob.
    »Um Gottes willen, schließen Sie die Vorhänge!« Paul wirbelte herum und stand Adrianne genau gegenüber. Ihre Wangen waren gerötet, ihr Gesicht zu einem Ausdruck intensiven sinnlichen Vergnügens verzogen. Sie gab gurgelnde Laute von sich, während sie beide Handflächen dicht um ihre Nase wölbte.
    Paul ging allein ins Hotel zurück, holte die Flasche Brandy aus seinem Koffer und setzte sich an den kleinen Tisch. Fast eine Stunde lang saß er und trank, bis er sich entschlossen hatte. In der Tischschublade fand er einen Notizblock des Hotels und fing an zu schreiben.
    Es war nach Mitternacht, als Adrianne wiederkam. Ihre Wangen waren von der Kälte gerötet, und ihre Augen funkelten in dem glücklichen Glanz, der durch weißen Lehm entsteht.
    »Was hast du gemacht?« fragte sie träumerisch.
    »Geschrieben.«
    »Das ist wunderbar, Liebling!« Sie zog die Nase kraus und setzte sich auf die Bettkante. »Was hast du denn geschrieben?«
    »Ein Märchen, glaube ich.« Paul sah nicht zu ihr auf. »Es endet damit, daß ein Mann ein Kaninchen frißt.«
    »Versteh’ ich nicht.« Adrianne blinzelte. »Warum hast du das geschrieben?«
    »Ich werde es jeder Zeitung im ganzen Land geben. Es ist die einzige Hoffnung, die Stier oder irgend jemand von uns noch hat.«
    »Nein!« Adrianne sprang auf. »Das darfst du nicht tun! Es würde alles verderben!«
    »Was schon verfault ist, das kann man nicht mehr verderben«, sagte Paul ruhig.
    »Aber du verstehst nicht! Richard wird Gott werden!«
    Paul sah zu ihr auf, schüttelte den Kopf und brach dann in lautes Lachen aus.
    »Aber er ist es!« Adrianne drückte auf ihre Mantelknöpfe. »Das wird am Schluß der Oper sein! Am Samstagabend, es ist alles geplant!«
    Paul trank den letzten Rest Brandy aus seiner Flasche und legte den Kopf auf die Arme.
    »Sogar Die Neun wissen nichts davon, Paul … aber ich habe mit den Perlenschwestern gesprochen, und es ist alles vorbereitet. Du darfst niemandem von Richard erzählen, davon, wie er wirklich ist. Das würde ihn zerstören.«
    »Ihn zerstören!« Paul legte mit einem Ruck den Kopf zurück und sah zur Decke auf. »Ihr habt aus ihm etwas gemacht, das weniger als ein Tier ist, ihr habt den Plan, ihn in einem Märchenschloß einer unsinnigen Oper zum Gott zu machen, und da meinst du, ich könnte ihn zerstören?«
    »Was kann ich dir nur sagen, damit du das verstehst …« Adrianne ließ den Mantel von ihren Schultern gleiten.
    »An diesem Punkte, Adrianne, würde ich dir nicht einmal den Versuch raten, noch irgend etwas zu erfinden.«
    »Ich habe dir die Wahrheit gesagt.«
    »Wo es dir in den Kram gepaßt hat, ja?«
    »Wenn ich gelogen habe, war es wegen Der Neun . Und wegen Richard, um ihn zu retten.«
    »Wovor zu retten, vor einem Riesenkaninchen?«
    » Die Neun haben Richard zu dem gemacht, was du heute gesehen hast, nicht ich. Ich habe ihn geliebt, und ich wollte ihn als einen Mann lieben. Aber Die Neun nicht. Die wollten ihm das Gemüt aus dem Körper saugen und die leere Hülle wegwerfen. Sie haben es schon fast getan. Ich will nichts anderes, als Richard befreien. Und wenn du dich nicht einmischst, wird das am Samstagabend geschehen.«
    Paul kratzte sich bedächtig am Kinn. »Wie lange halten sie ihn schon gefangen?«
    »Er ist kein Gefangener. Wenigstens fühlt sich Richard nicht als solcher. Ich weiß, wie Die Neun am Anfang, als Richard mich verlassen hatte, ihn überzeugt haben, seine Schöpferkraft könnte nur dann zur Vollendung kommen, wenn er alle anderen Sinne seines Körpers zerstört. Ich meine, daß Richard tatsächlich glaubt, von reiner Energie zu leben. Er ist sich innerlich nur dann bewußt, daß er lebt, wenn er Musik schafft. Aber ganz gleich, wofür wir ihn halten, Millionen Menschen in aller Welt lieben ihn. Das sollst du nicht zerstören.«
    »Doch es ist ja Lüge, Adrianne, es ist Lüge! Seine Musik lieben – ja –, und die Ideen lieben, die er durch seine Musik geschaffen hat. Aber du kannst nicht Millionen Menschen durch einen Filmstreifen von etwas lenken lassen, das gar nicht existiert!«
    »Warum

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