Der große Trip: Tausend Meilen durch die Wildnis zu mir selbst (German Edition)
mein Kopf auf Sparflamme schaltete und ich an nichts anderes mehr dachte, als in Bewegung zu bleiben, und immer weiter ging, bis auch das Gehen unerträglich wurde, bis ich glaubte, keinen Schritt mehr tun zu können, und endlich stehen blieb, das Lager aufschlug und zügig alle nötigen Arbeiten erledigte, um möglichst rasch den erlösenden Augenblick herbeizuführen, da ich, mit den Kräften am Ende, in mein Zelt sinken konnte.
Genauso fühlte ich mich, als ich mich in das Shelter Cove Resort schleppte: erschöpft und angeödet vom Trail, innerlich leer und nur froh, endlich am Ziel zu sein. Ich hatte ein weiteres Feld in meinem Himmel-und-Hölle-Spiel übersprungen. Das Shelter Cove Resort bestand aus einem Laden und einigen rustikalen Hütten auf einer großen Rasenfläche am Ufer eines großen Sees namens Odell, der eingebettet zwischen grünen Wäldern lag. Ich erklomm die Veranda des Ladens und trat ein. Kurze Regalreihen mit Snacks und Angelködern, ein Kühlregal mit Getränken. Ich nahm mir eine Dose Snapple-Limonade und eine Tüte Chips und kehrte damit zur Theke zurück.
»Wandern Sie auf dem PCT?«, fragte mich der Mann an der Kasse. Als ich nickte, deutete er zu einem Fenster im rückwärtigen Teil des Ladens. »Die Poststelle ist bis morgen früh geschlossen, aber Sie können ganz in der Nähe umsonst kampieren. Fürs Duschen müssen Sie bezahlen.«
Ich hatte nur noch zehn Dollar – meine Aufenthalte in Ashland und im Crater Lake National Park hatten mehr verschlungen, als ich mir vorgestellt hatte –, aber ich wusste, dass das Versorgungspaket, das ich am nächsten Morgen abholen würde, zwanzig Dollar enthielt, und so bat ich den Mann, als ich Limonade und Chips bezahlte, mir ein paar Fünfundzwanzig-Cent-Stücke für die Dusche herauszugeben.
Draußen riss ich die Snapple-Dose und die Tüte Chips auf und steuerte knabbernd und trinkend auf das hölzerne Badehäuschen zu, das mir der Mann gezeigt hatte. Meine Vorfreude war riesig. Und sie wurde noch größer, als ich eintrat und sah, dass die Hütte nur für eine Person gedacht war. Ich schloss die Tür hinter mir und fühlte mich sogleich wie in meinem eigenen Reich. Ich hätte darin geschlafen, wenn man mich gelassen hätte. Ich zog mich aus und betrachtete mich in dem zerkratzten Spiegel. Anscheinend hatte ich mir auf dem Trail nicht nur die Füße, sondern auch die Haare ruiniert – sie waren verfilzt und durch Schichten von getrocknetem Schweiß und Trail-Staub auf das doppelte Volumen angeschwollen, als verwandelte ich mich langsam, aber sicher in eine Kreuzung zwischen Farrah Fawcett in ihren besten und Gunga Din in seinen schlimmsten Tagen.
Ich steckte meine Geldstücke in den kleinen Münzkasten, trat in die Dusche, rekelte mich unter dem heißen Wasser und rubbelte mich mit einem dünnen Stück Seife, das jemand liegen gelassen hatte, bis es sich vollständig in meiner Hand auflöste. Hinterher trocknete ich mich mit demselben Tuch ab, mit dem ich meinen Kochtopf und Löffel in einem See oder Bach spülte, und schlüpfte wieder in meine schmutzigen Kleider. Danach fühlte ich mich tausendmal besser, also schulterte ich das Monster und kehrte zum Laden zurück. Auf der breiten Veranda vor dem Laden stand eine lange Bank. Dort setzte ich mich hin, blickte auf den Odell Lake und kämmte mir mit den Fingern die nassen Haare. Olallie Lake, dann die Timberline Lodge und schließlich Cascade Locks, dachte ich.
Noch drei Hüpfer, dann war es geschafft.
»Bist du Cheryl?«, fragte mich ein Mann, der aus dem Laden kam. In nächsten Moment waren hinter ihm noch zwei Männer ins Freie getreten. Obwohl sie keine Rucksäcke trugen, erkannte ich sofort an den Schweißflecken auf ihren T-Shirts, dass sie PCT-Hiker waren. Sie waren jung und sahen gut aus, braungebrannt, bärtig und schmutzig, unglaublich muskulös und zugleich unglaublich dünn. Einer war groß. Einer war blond. Einer hatte ausdrucksstarke Augen.
Ich war froh, dass ich gerade geduscht hatte.
»Ja«, antwortete ich.
»Wir sind dir lange gefolgt«, sagte der Blonde, und ein Lächeln legte sich auf sein schmales Gesicht.
»Wir haben gewusst, dass wir dich heute einholen würden«, sagte der mit den ausdrucksstarken Augen. »Wir haben deine Spuren auf dem Trail gesehen.«
»Und wir haben deine Einträge im Trail-Register gelesen«, fügte der Große hinzu.
»Wir haben uns gefragt, wie alt du wohl bist«, sagte der Blonde.
»Wie alt habt ihr mich denn geschätzt?«, fragte ich
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