Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]
Mädchen nach, packte es und faßte es in den Arm, indem ich mit der anderen Hand sein Köpfchen festhielt.
»Wer wird hier ausgelacht, und was willst du denn, du Gänseblümchen?«
rief ich. Das blühende Kind zappelte und sträubte sich, lachte aber fort.
Unversehens hielt es still und flüsterte mir ins Ohr: »Lassen Sie uns doch lachen! Das gnädige Fräulein ist so vergnügt und zufrieden, daß sie wieder da ist! Wissen Sie warum?«
Als ich das schlimme Geschöpf verblüfft und errötend freiließ, legte es mir die Hand auf die Schulter und lispelte weiter: »Sie war so traurig die ganze Zeit, denn sie ist verliebt! Wissen Sie, in wen?«
Ich fühlte das Herz beinah stillstehen und sagte tonlos: »Nun, in wen denn?«
»Ein Rittmeister bei den Kürassieren!« hauchte sie nun ganz leise, »himmelblaue Tracht, schneeweißer Mantel, Stahlharnisch und hoher Silberhelm, ein geschwungener Kamm darauf, und das Ganze schön wie ein Hektor, sagt sie, obgleich unser schwarzer Hund so heißt!«
Damit sprang sie davon und eilte der Herrin nach, die schon vorher entschlüpft war. Ich merkte freilich, daß Scherz getrieben wurde; allein die Schilderung eines schönen Reiteroffiziers bekam mir an sich schon nicht gut in solchem Zusammenhange.
Glücklicherweise langten die Kisten für die Bilder an, welche sofort eingepackt wurden. Ich schlug selbst die Nägel in die Deckel, daß die Kapelle von den zornigen Schlägen widerhallte; denn mit jedem Schlage nahm ich mir gewisser vor, am nächsten Tage fortzugehen, und so dünkte es mir, als nagle ich den eigenen Sarg zu. Aber nach, jedem Schlage schallte ein klangreiches Gelächter oder ein fröhlicher Triller von den Korridoren und Treppen her, die Mädchen jagten hin und wider und schlugen Türen auf und zu.
Das bewirkte, daß ich in meine Gartenwohnung ging und gleich auch den Reisekoffer packte, den ich samt neuem Inhalt bei meinem letzten Aufenthalt in der Residenz gekauft hatte. Als ich damit fertig war, ging ich höchst schwermütig, aber gefaßt ins Freie und nach dem Kirchhofe; dort setzte ich mich auf Dortchens Lieblingsbank und hoffte, sie werde etwa herkommen und ich wenigstens noch einige Minuten bei ihr sitzen können ohne Bosheit noch Gefährde, um sie nochmals recht anzusehen. Sie kam auch richtig nach einer Viertelstunde herangerauscht, aber von der Gärtnerstochter und dem schwarzen Hektor begleitet. Da entfernte ich mich eiligst, im Glauben, sie hätten mich noch nicht gesehen, und lief hinter die Kirche. Als ich dort die Mädchen wieder sprechen und lachen hörte, ging ich in der Verwirrung in das Dorf und betrat das Pfarrhaus, um beim Kaplan Zuflucht zu suchen, angeblich aber um meine Abreise anzukündigen.
Ich fand ihn essend am Tische sitzen, über den die Nachmittagssonne wegschien.
»Ich esse hier mein Vesperbrötchen«, sagte er, »wollen Sie nicht mithalten?«
»Ich danke«, erwiderte ich; »wenn Sie es erlauben, so will ich Ihnen sonst ein wenig Gesellschaft leisten!«
»Das sind mir junge Leute heutzutage«, sagte der Hochwürdige, »das hat ja gar keinen ordentlichen deutschen Appetit mehr! Na, die Gedanken sind auch danach, da kann freilich nicht viel anderes herauskommen als nichts und wieder nichts!«
»Seit wann sind Hochwürden so materialistisch?«
»Verwechseln Sie mir nicht das Erschaffene mit dem Unerschaffenen, unseliger Adept, und nehmen Sie Platz! Ein Schluck Bier wird Ihnen mindestens nicht zu schwer sein!«
So beschäftigte er sich eifrig weiter mit der großen Schüssel, die vor ihm stand. Dieselbe enthielt die Anhängsel und Profilstücke eines frischgeschlachteten Schweines, die Ohren, die Schnauze und den Ringelschwanz, alles soeben gekocht und dem Geistlichen lieblich in die Nase duftend. Er pries das aufgetürmte Gericht als unübertrefflich an einfacher Zartheit und Unschuld und trank einen tüchtigen Krug goldenbraunen Bieres dazu.
Als ich etwa zehn Minuten dagesessen hatte, klopfte es an der Türe, und Dorothea trat, nur von dem schönen Hunde begleitet, anmutig und höflich herein, schien aber ein klein wenig befangen zu sein.
»Ich will die Herren nicht stören«, sagte sie, »und wollte nur den Herrn Kaplan bitten, heute abend bei uns zu sein, da Herr Lee morgen fortreist. Sie sind doch nicht abgehalten?«
»Gewiß werde ich kommen!« erwiderte der Pfarrer, der sich schon wieder gesetzt hatte und seine angenehme Arbeit fortsetzte, »bitte, mein Liebster, holen Sie doch einen Stuhl für das gnädige
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