Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]
Freulein!«
Das tat ich mit großem Eifer und stellte einen zweiten Stuhl an den Tisch, mir gerade gegenüber. Dorothea dankte mit freundlichem Lächeln und sah bescheiden vor sich nieder, indem sie Platz nahm. Nun war ich doch glückselig, da ich in der wohnlichen und sonnigen Priesterstube ihr gegenübersaß und sie sich so gutmütig und still verhielt. Der Kaplan sprach essend und immer allein, und wir brauchten ihm nur zuzuhören, indes der Hund mit feurigen Augen und offenem Manne auf Schüssel, Hände und Mund des Hochwürdigen starrte.
»Ach, der arme Hund, wie es ihn gelüstet!« sagte Dortchen, »essen Sie dies auch, Herr Kaplan, oder erlauben Sie, daß ich es ihm gebe?«
Sie zeigte hiebei auf das krumme Schwänzchen, das sich manierlich auf dem Rande der Schüssel darstellte.
»Dies Sauschwänzchen?« sagte der Kaplan, »nein, mein Fräulein, das können Sie ihm nicht geben, daß eß ich selber! Warten Sie, hier ist etwas für ihn!« und er setzte dem lüsternen Tier einen Teller vor, in welchen er allerhand Knöchelchen und Knorpelwerk geworfen hatte. Dortchen und ich sahen uns unwillkürlich an und mußten lächeln, weil die ungetrübte Freude des Geistlichen an dem bescheidenen Gegenstande uns erheiterte. Auch der Hund, der sich begierig mit seinem Teller unterhielt, vermehrte durch seine Behaglichkeit die gute Stimmung. Dortchen streichelte ihm den Kopf, als ich eben mit der Hand über seinen glänzenden Rücken fuhr, und als sie achtlos Gefahr lief, mir mit ihrer Hand zu begegnen, zog ich die meinige höflich zurück, wofür sie mich schnell mit einem halben Lächeln anblickte.
Am offenen Fenster wehten die Vorhänge, sachte von der Luft bewegt, und vor demselben tanzte ein Schwarm schimmernder Mücklein in der Sonne, die einzelnen kaum erkennbar, mit einer Hast und Leidenschaft durcheinander, als ob sie die Kürze der ihnen verliehenen Frist gekannt hätten, die sich vielleicht nach halben Stunden berechnete.
In diesem Augenblick wurde der geistliche Herr von der Haushälterin abgerufen, um an Stelle des abwesenden Pfarrers einem vorbeschiedenen unfriedfertigen Ehepaar Audienz zu erteilen.
»Das muß doch immer gezankt haben, es ist ein Graus mit diesen Eheleuten!« rief der über die Störung ungehaltene Zölibatär; »räumt den Tisch ab, Therese, ich esse nachher nicht mehr!«
Damit lief er nach dem Studierzimmer des Pfarrers, ohne uns zu verabschieden, und wir waren so veranlaßt, an dem weißgedeckten Tische sitzen zu bleiben; denn die Wirtschafterin nahm bloß Schüssel und Teller mit und ließ das Tuch liegen. Ich blickte wortlos auf die runde weiße Fläche, die, von der jungen Sonne beleuchtet, zwischen uns glänzte. Das Wort »Eheleute«, das der Geistliche zuletzt ausgesprochen, klang gleichsam noch in der Luft, da niemand sprach; denn auch Dortchen saß schweigend da, die Hand auf den Kopf des Hundes gelegt, der mit seinem Schmause auch fertig war. Das verfängliche Wort klang aber nicht mit seinem Zusammenhange nach, sondern erweckte mir die Vorstellung von zwei Leutchen, die glücklich in häuslicher Abgeschlossenheit am Tische sich gegenübersitzen. Es war, als ob das weiße Rund sich mit Bildern des Glückes belebte, und es ergriff mich ein tiefes Leiden um Dortchen, da es mir beim Himmel nicht möglich schien, daß sie anders als an meiner Seite glücklich und zufrieden alt werden könne. Mit einem Seufzer richtete ich die feucht werdenden Augen auf und sah erschrocken, wie Dortchens Augen mit Teilnahme auf mir zu ruhen schienen, während den geschlossenen Lippen ein weicher, nicht unfreundlicher Ernst den schönsten Ausdruck gab und das Haupt nachdenklich sich leicht seitwärts neigte. Auch nachdem ich aufgeblickt, veränderte sie Haltung und Ausdruck nicht sofort, und erst als ihre Augen auch einen feuchtern Glanz bekamen, nahm sie sich zusammen. Das Bild dieses Augenblickes ist mir auch geblieben gleich dem stillen Glanz eines Sternes, den man einmal in ungewöhnlich klarer Luft leuchten sah und niemals vergißt.
Ich rang nach Worten, um das Schweigen zu unterbrechen, und Dortchen, mit dem gleichen Bestreben schneller fertig, öffnete eben den Mund, als die Wirtschafterin des Pfarrhauses wieder eintrat und nicht mehr wegging, da sie sich berufen fühlen mochte, die junge Herrschaftsdame zu unterhalten. Es dauerte nicht lang, so kehrte auch der Kaplan von seinem Geschäft zurück, das er rascher erledigt, als er gehofft hatte, und da sich nun ein haushälterisches Gespräch
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