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Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]

Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]

Titel: Der gruene Heinrich [Zweite Fassung] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gottfried Keller
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auf dem Dachboden stehenden Schränke, der voll guter Kleider hing, die seit Jahren geschont und gespart und nicht nach der Mode geschnitten waren. Die Wärterin aber sagte, es müsse ein Totenkleid vorhanden sein, von welchem die Selige gesprochen, und wirklich fand man dasselbe, in ein weißes Tuch eingeschlagen, im Fuße des Schrankes liegen. Zu welcher Zeit sie es anfertigen ließ, war mir unbekannt.
    Die Frauen sprachen auch davon, wie wenig Mühe die Tote während ihrer Krankheit verursacht, wie still und geduldig sie gelegen und fast nie etwas verlangt habe.

Fünfzehntes Kapitel
    Der Lauf der Welt
    Während die Frauen nun Bett und Leiche in den erforderlichen Stand brachten, folgte ich der Einladung der Nachbarin, in ihr Haus hinüberzugehen und dort auszuruhen. Der Nachbar suchte vorsichtig, eh er im Gespräche weiterging, meine Glücksumstände und Erlebnisse zu erfahren. Ich verhehlte ihm nicht, daß ich zur Zeit seiner Anwesenheit in jener Stadt übel daran gewesen, ließ ihn dann aber die bessere Wendung der Dinge wissen, erzählte ihm alles, den Liebeshandel ausgenommen, und gleichsam als eine Art Rechtfertigung zeigte ich ihm unter Tränen die Geldwerte, die ich bei mir führte. Ich schob Geld und Papiere weg und stützte den Kopf wieder weinend auf den Tisch des fremden Mannes.
    Betroffen und schweigend saß er da, und erst als ich mich etwas beruhigt, zeigte er eine gewisse Entrüstung über den unglücklichen Verlauf der Dinge und konnte sich nicht enthalten, mich damit bekannt zu machen. Nachdem die Mutter schon längere Zeit auf meine Heimkehr oder wenigstens auf Nachrichten geharrt und schon etwas gekränkelt hatte, erhielt sie eines Tages die Aufforderung, vor der Polizeibehörde zu erscheinen. Es war, wie wir jetzt annehmen mußten, die Nachforschung des deutschen Gerichtes nach meiner Person wegen des Legates des Joseph Schmalhöfer. Sei nun die plumpe Versäumnis, die Ursache dieser Nachforschung anzuzeigen, schon von jener Gerichtsstelle aus begangen worden oder nicht, genug, als meine Mutter, nach meinem Aufenthalte befragt, denselben nicht nennen konnte, erschrocken dastand und zitternd fragte, um was es sich handle, wurde ihr geantwortet, man wisse es nicht, es sei einfach eine Vorladung für mich, vor dem Gerichte zu erscheinen; ich werde wahrscheinlich vor Schulden oder etwas Ähnlichem geflohen sein. Diese Auslegung sprach sich auch weiter herum, und die arme Frau wurde durch allerlei Anspielungen in der Meinung bestärkt, daß ich verschuldet und im Mangel in der Welt herumirre.
    Nicht lange darauf, als sie die Zinsen für das auf das Haus entlehnte Kapital, die sie kümmerlich zusammengehalten, abtrug, wurde ihr das letztere gekündigt, und nun mußte sie mitten in ihren kummervollen Sorgen um ein neues Anleihen ausgehen. Es gelang ihr aber nicht, das Geld zu finden, denn es bestand eben die Absicht, sie vom Hause zu bringen, und es steckten Gewinnlustige hinter der Sache, unter denen der inzwischen etwas emporgekommene, immer noch im Hause wohnende Spenglermeister mitwirkte, in der Hoffnung, selber den Sitz zu erwerben. Auch hier war endlich der Bau einer Schienenstraße in Aussicht getreten, der Bahnhof mußte unfern unserer Gasse zu liegen kommen, und es begann der Wert der Grundstücke beinahe täglich zu steigen, ohne daß die Mutter in ihrer Abgeschiedenheit von diesen Dingen wußte.
    Die doppelte und dreifache Sorge hat unzweifelhaft ihr Leben verkürzt; denn der Zahlungstermin rückte mit jeder Woche näher.
    »Hätte ich eine Ahnung von der Sachlage gehabt«, sagte nun der Nachbar, »so hätte ich leicht raten können; allein die Verschwiegenheit Ihrer Mutter erleichterte das Bestreben der Spekulanten, den Handel geheimzuhalten, und erst seit ein paar Tagen hörte ich zufällig davon, seit die Herren der Beute sicher zu sein glauben. Jetzt, wo Sie da sind, genügt weniger als der zehnte Teil dessen, was da vor Ihnen liegt, die Schuld abzutragen und das Haus wieder frei zu machen, das ja sonst unbedeutend belastet ist, soviel ich weiß, und Ihnen jetzt schon einen schönen Gewinn abwerfen würde, wenn Sie es verkaufen wollten. Denn obgleich das Haus alt und unansehnlich aussieht, so ist es dennoch fest gebaut und enthält viel unbenützten Raum, der mit Leichtigkeit wohnbar zu machen ist. Und nun hat es so kommen müssen!«
    Der Gedanke, daß unglücklicher Zufall und die Arglist Gewinnsüchtiger die Hand im Spiele gehabt, erleichterte keineswegs die Last, welche jählings

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