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Der grüne Stern

Der grüne Stern

Titel: Der grüne Stern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lin Carter
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mit dumpf pochenden Schlägen, die in meinen Ohren dröhnten.
    Ich öffnete die Augen und blickte in einen düsteren Abgrund!
    Mir schwindelte, und ich schloß die Augen wieder. War ich verrückt? Angst würgte und lähmte mich, machte mich unfähig, irgendeinen Gedanken zu fassen. Und kein Wunder, denn was könnte alptraumhafter sein als aus einer Ohnmacht zu erwachen und zu entdecken, daß man mit dem Kopf nach unten über einem bodenlosen Abgrund baumelt?
    Ich brachte meine Nerven mit aller Willenskraft zur Ruhe und zwang mich, meine Augen wieder zu öffnen. Ich blickte wieder hinab. Der Waldboden war vielleicht fünfhundert Meter unter mir, eingehüllt in Dunkelheit. Aber ich sah nichts von Niamh; also gab es immer noch Hoffnung.
    In was war ich verstrickt? Es fühlte sich wie ein Netz an. Jedenfalls hielt es meinen Körper und hatte meinen Absturz gebremst. Es war ein Wunder, daß der Aufprall mich nicht getötet hatte.
    Ich verdrehte den Kopf und sah zu meiner Verblüffung, daß ich in den zerrissenen, klebrigen Fäden eines Spinnennetzes hing!
    Gewiß, das Netz mußte einen Durchmesser von vierhundert Metern oder mehr haben! Das entsprach etwa der Entfernung zwischen dem Baum, von dem ich gefallen war, und dem nächsten. Aber es war eindeutig ein Spinnennetz.
    Meine Vorstellung weigerte sich, in dieser Situation über die Größe der dazugehörigen Spinne nachzudenken, die dieses unglaubliche Netz gesponnen hatte. Die Fäden – oder Kabel –, in denen ich hing, waren dick wie ein Daumen, aus einem gelblichweißen, klebrigen und offenbar sehr zähen Material. Sie zeigten keine Textur und keine gedrehten Fasern, sondern waren wie massiv gegossene Plastikseile, aber flexibel und dehnbar wie Gummi.
    Der Aufprall meines Körpers hatte das Gewebe zerrissen, und die klebrigen Kabel hatten sich gedehnt. Und dieses federnde Nachgeben hatte die Aufprallenergie vernichtet und meinen Fall gebremst, ohne mir die Knochen zu brechen. Ich kicherte vor Erleichterung hysterisch. Da hängst du im Netz einer Riesenspinne, fünfhundert Meter über dem Erdboden, und fühlst dich erleichtert, sagte ich mir und lachte meckernd.
    Als ich umherblickte, tat mein Herz einen Sprung. Da, fünfzehn Meter von mir entfernt, hing etwas Blasses, Schlaffes im zerrissenen Netz – Niamh!
    Sie war ohnmächtig, aber sie schien unverletzt. Das geöffnete silberne Haar wehte in der leichten Brise, ihre in Unordnung geratenen Kleider enthüllten glatte weiße Schenkel und zierliche Schultern. Obwohl sie bewußtlos war, glaubte ich sie atmen und ihre Augenlider zucken zu sehen, als nähere sie sich bereits dem Moment des Erwachens.
    Gleich darauf fühlte ich eine unheilverkündende Vibration durch die gespannten Kabel des Spinnennetzes gehen.
    Die Erschütterung unseres Aufpralls mußte das Ungeheuer aus seinem Schlupfwinkel gelockt haben.
    Nun tasteten die langen, haarigen Beine feinfühlig über die Stränge, um die Position der gefangenen Beute zu orten. Ich hielt den Atem an, denn ich wußte, daß die kleinste unfreiwillige Bewegung sich durch Schwingungen des Netzes verraten würde. Damit würde die Spinne sofort wissen, in welchem Teil ihres Netzes die Beute zappelte.
    Ich hatte nicht die geringste Ahnung, wie nahe oder wie weit der Schlupfwinkel der Spinne entfernt war. Wenn sie den Spinnen meiner fernen Heimat ähnelte, würde sie entweder im Zentrum des Netzes lauern, oder in einer feingesponnenen Trichterhöhle an einem Ende des Netzes sitzen, wo es in einem geschützten Winkel verankert war.
    Wie nahe waren wir dem Zentrum?
    Es war unmöglich, das zu bestimmen. In der grüngoldenen, dunstigen Dämmerung dieser Tiefe schienen alle Konturen zu zerfließen. Ich sah, daß wir unserem Baum näher waren als dem benachbarten, aber auch sein Stamm war gute hundert Meter entfernt. Aber selbst wenn die Spinne am anderen Ende des Netzes wäre, würde sie höchstens Minuten brauchen, um die zitternden Kabel entlang zu der Stelle zu eilen, wo wir wie reife Früchte hingen.
    Irgendetwas mußte geschehen. Wir konnten nicht stundenlang kopfüber im Netz hängenbleiben. Wenn es uns gelänge, an einem der abwärtsführenden Haltekabel zu unserem Baum hinüberzuklettern – dann würden wir vielleicht noch rechtzeitig dem Angriff des Ungeheuers entgehen …
    Ich zog mich an den klebrigen Kabeln hoch und versuchte, mich aus den ineinander verstrickten, an mir und aneinander haftenden Kabeln zu befreien, ohne mit heftigen Bewegungen das ganze Netz in

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